- Neuerliche Probezeit bei demselben Dienstgeber
Die Klägerin war mehrfach jeweils für einige Monate bei dem beklagten Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen beschäftigt und an einen Dritten als Produktionsarbeiterin überlassen. Am Beginn der jeweiligen Dienstverhältnisse wurde jeweils eine einmonatige Probezeit vereinbart. Die beiden ersten Arbeitsverhältnisse endeten durch einvernehmliche Auflösung. In einem weiteren Dienstverhältnis beendete der Arbeitgeber das Dienstverhältnis während der Probezeit. Fraglich war, ob dies zulässig war oder nicht.
Der Oberste Gerichtshof kam zu folgendem Ergebnis: Bei einem neuerlichen Dienstverhältnis zum selben Arbeitgeber gilt nach dem Kollektivvertrag für die Arbeitskräfteüberlassung der erste Monat grundsätzlich wiederum als Probemonat; eine sachliche Rechtfertigung ist dafür nicht erforderlich. Die Grenze für die Zulässigkeit einer Probezeit im zweiten (oder einem weiteren) Arbeitsverhältnis ist aber immer dort zu ziehen, wo unter den gegebenen Umständen eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu befürchten ist. Die neuerliche Überlassung eines Arbeitnehmers an denselben Beschäftiger bei gleicher Tätigkeit und die anschließende Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit stellt für sich alleine noch keinen Rechtsmissbrauch dar. Eine Berufung auf das jederzeitige Auflösungsrecht in der Probezeit könnte aber rechtsmissbräuchlich sein, wenn die einvernehmliche Auflösung des vorherigen Dienstverhältnisses auf Initiative der Arbeitgeberin zur Umgehung der Bezahlung einer „Stehzeit“ während des Betriebsurlaubs der Beschäftigerin erfolgte. Die Beweislast dafür trifft den Arbeitnehmer, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft. Dies wurde aber von den Gerichten nicht detailliert geprüft, weswegen der Fall vom Obersten Gerichtshof wieder an das Gericht erster Instanz zur weiteren Sachverhaltserhebung verwiesen wurde (OGH 27. 9. 2023, 9 ObA 64/23m).
2. Haftung für einen Arbeitsunfall
Die GmbH wurde mit dem Austausch von Glaselementen beauftragt. Bei diesen Arbeiten stürzte ein bei ihr beschäftigter Arbeitnehmer aus ca 7,5 m Höhe mit der auszutauschenden 120-130 kg wiegenden Glasscheibe zu Boden und verletzte sich dabei schwer. Mit der vorliegenden Klage begehren die Sozialversicherungsträger von der GmbH und des bei ihr angestellten Zweitbeklagten Repräsentanten Ersatz für die an den verunfallten Arbeitnehmer erbrachten Leistungen aus der gesetzlichen Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung.
Der Oberste Gerichtshof urteilte wie folgt:
Eine juristische Person als Dienstgeberin haftet bei einem Arbeitsunfall eines Arbeitnehmers den Sozialversicherungsträgern für die an den verunfallten Arbeitnehmer erbrachten Leistungen, wenn der Arbeitsunfall durch das vorsätzliche oder grob fahrlässige Verhalten eines Mitglieds des geschäftsführenden Organs oder eines Repräsentanten der juristischen Person verursacht wurde. Als Repräsentant gilt dabei jeder, der in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten für die juristische Person ausübt. Hat ein Mitarbeiter auf den Baustellen der GmbH regelmäßig die Leitung inne, ist er Ansprechpartner vor Ort und sorgt ua dafür, dass die vom Geschäftsführer erteilten Anordnungen und Weisungen zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften von den anwesenden Arbeitern auch eingehalten werden, ist er als Repräsentant der GmbH anzusehen.
Hatte er es zu verantworten, dass ein Arbeitnehmer in einer Höhe von 7,5 m ungesichert auf einer ca 40 cm breiten Brüstung stehend sämtliche Schrauben einer 120-130 kg wiegenden Glasscheibe gelöst hat, um diese zu demontieren, anstatt entsprechend der Weisung des Geschäftsführers die Demontage lediglich vorzubereiten und auf den Kran samt Arbeitskorb zu warten, um die Glasscheibe herauszuheben, liegt jedenfalls ein grob fahrlässiges Fehlverhalten vor, das zu einer Haftung der GmbH gegenüber den SV-Trägern führt (OGH 18. 10. 2023, 9 ObA 68/23z).