1. Verzicht des Arbeitnehmers auf Kündigungsanfechtung im Sozialplan
In einer Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan wurde festgelegt, dass dieser Sozialplan nur für Dienstnehmer gilt, die einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zustimmen oder vom Dienstgeber gekündigt werden. Ausgenommen vom persönlichen Anwendungsbereich wurden Dienstnehmer, die die Dienstgeberkündigung gerichtlich angefochten hatten.
Der Sozialplan sah unter anderem eine freiwillige Abfindung für die betroffenen Mitarbeiter vor.
Ein Mitarbeiter stimmte einer einvernehmlichen Auflösung nicht zu, wurde vom Dienstgeber gekündigt und focht diese gerichtlich an. Parallel klagte er auf Zahlung der freiwilligen Abfindung gemäß Sozialplan.
In einer aktuellen Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Zahlung dem Mitarbeiter aufgrund der Formulierung des Sozialplans nicht zustand. Parteien eines Sozialplans können nämlich bei der Gestaltung der Anspruchsvoraussetzungen darauf abstellen, ob es zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt oder nicht. Dadurch werden die dem Arbeitnehmer gesetzlichen zustehenden Anfechtungsrechte nicht unzulässig eingeschränkt.
Ein Sozialplan darf sogar danach differenzieren, ob eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses auf Initiative des Dienstnehmers oder des Dienstgebers erfolgte. Durch derartige Bedingungen werden die Anfechtungsrechte des Dienstnehmers nicht unzulässig eingeschränkt, so der Oberste Gerichtshof (OGH 29.04.2021, 9 ObA 9/21w).
2. Dienstgeberkündigung bei Erreichen des Pensionsalters
In einer aktuellen Entscheidung musste sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Kündigung durch den Arbeitgeber, die bei Erreichen der Voraussetzungen für die Korridorpension durch den Dienstnehmer ausgesprochen wurde, sozialwidrig und dadurch rechtsunwirksam ist oder nicht.
Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Kündigung im konkreten Fall aus folgenden Gründen nicht sozialwidrig war:
Nach der Rechtsprechung ist bei Erreichen des Regelpensionsalters und Anspruch auf Regelpension der Kündigungsschutz zwar nicht generell und jedenfalls auszuschließen, doch ist wegen der vom Gesetzgeber tolerierten Einkommenseinbußen, die mit jeder Pensionierung verbunden sind, und der Vorhersehbarkeit der Kündigung bei Erreichen des Regelpensionsalters bei Prüfung der Interessenbeeinträchtigung ein strenger Maßstab anzulegen.
Im Hinblick auf Pensionierungen nimmt der Gesetzgeber einen gewissen Einkommensverlust bewusst in Kauf. Deshalb ist eine Kündigung infolge des Umstands, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Alterspension hat, in der Regel nicht sozialwidrig, dies besonders dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nach seiner Pensionierung noch zusätzlich durch betriebliche Pensionsleistungen abgesichert ist. Wesentlich ist immer, ob der Arbeitnehmer seine Lebenshaltungskosten auch nach Wegfall des Aktivbezugs aus der künftigen Pension oder sonstigen berücksichtigungswürdigen Quellen decken kann. Das wird bei Arbeitnehmern, die ein Einkommen erzielen, das deutlich über der Höchstbemessungsgrundlage liegt, im Regelfall ohne Vorliegen besonders zu berücksichtigender Umstände dann zu bejahen sein, wenn sie die mögliche „Höchstpension“ beziehen. Eine Summe, die der Sozialrechtsgesetzgeber als höchstzulässige Pensionshöhe ansieht, kann – für sich allein – insoweit nicht als „sozialwidrig“ angesehen werden.
Dass der Arbeitnehmer durch längere Arbeit eine höhere Gesamtpension erzielen könnte, ändert daran nichts. Bei einer nach dem Ende des Dienstverhältnisses bereits zustehende Korridorpension, die das Gesetz als Form der Alterspension definiert, hat der Oberste Gerichtshof auf hohe Abfertigungszahlungen (Überbrückungsfunktion) und lange Zeiträume der Dienstfreistellungen, in denen sich die Arbeitnehmer bei vollen Bezügen auf die zu erwartende Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen konnten, Bedacht genommen und eine Sozialwidrigkeit verneint, wenn bei einer über das ASVG Höchstpension liegenden Gesamtversorgung die laufenden – allenfalls auch gehobenen – Lebenshaltungskosten gut abgedeckt sind.
Im konkreten Fall hatte der Mitarbeiter eine monatliche Gesamtpension von € 2.791,00 netto und eine vorläufige Witwerpension von durchschnittlich € 912,42, somit ein monatliches Gesamteinkommen von rund € 3.700 netto. Die Lebenserhaltungskosten betrugen rund € 2.000 und er hatte Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner ersten geschiedenen Ehefrau von rund € 600.
Er hatte sohin ein weit über der ASVG-Höchstpension (brutto € 3.402,14 im Jahr 2018) liegendes Einkommen, das seine Lebenserhaltungskosten gut abdeckte. Dementsprechend kam der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall die Kündigung nicht sozialwidrig war (OGH 25.03.2021, 8 ObA 7/21v).
3. Schlichtungsklausel
Der Kläger war von 01.10.2012 bis 15.06.2017 bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Arbeitnehmerkündigung.
Der Dienstvertrag enthielt eine Klausel, wonach vor Inanspruchnahme der zuständigen Gerichte bei Streitigkeiten aus dem Dienstvertrag eine Schlichtungsstelle anzurufen sei.
Der Kläger machte Zahlung offener Provisionen geltend und zwar durch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. Er brachte vor, dass die dem Dienstvertrag enthaltene Klausel gröblich benachteiligend sei, da die Verpflichtung zur Anrufung der Schlichtungsstelle ausschließlich den Dienstnehmer treffe und nicht den Dienstgeber. Weiters würde ein Schlichtungsverfahren eine unzumutbare Verzögerung bei der Rechtsverfolgung bewirken. Abgesehen davon hätte die Schlichtungsklausel nicht zum Inhalt gehabt, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens vom Arbeitgeber zu tragen waren. All dies mache diese Schlichtungsklausel daher rechtsmissbräuchlich.
Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, dass im konkreten Fall die Schlichtungsklausel für den Arbeitnehmer gröblich benachteiligend und daher nichtig war. Er begründete dies damit, dass die Klausel ausschließlich für den Arbeitnehmer gelten sollte und damit einseitig die Durchsetzung seiner Ansprüche erschwert wurde. Weiters enthielt sie keine Regelung über die Kostentragung, was für Arbeitnehmer bedeuten würde, dass er die Kosten für das Schlichtungsverfahren vorschießen müsse, womit eine nicht unwesentliche Verteuerung für die Durchsetzung seiner Ansprüche verbunden sein konnte.
Die sofortige Klage bei Gericht war daher zulässig (OGH 29.04.2021, 9 ObA 47/20g).
4. Unwirksamkeit einer Mehrfachbefristung – Aufgriffsobliegenheit
Ein Arbeitnehmer stand in einem mehrfach befristeten Dienstverhältnis zu einem Arbeitgeber. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf einer dieser Befristungen machte der Arbeitnehmer 6.5 Monate nach Ablauf des letzten befristeten Arbeitsverhältnisses einen Fortsetzungsanspruch gegenüber dem Dienstgeber geltend.
Der Oberste Gerichtshof entschied, dass ein derartiger Fortsetzungsanspruch aber ohne Aufschub gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden muss. Die Verzögerung mit der Geltendmachung dieses Anspruchs um 6,5 Monate war im konkreten Fall zu lange und der Arbeitnehmer hat dadurch seine Aufgriffsobliegenheit verletzt, zumal es ihm zumutbar gewesen wäre, schon vorher den Anspruch geltend zu machen (OGH 24.03.2021, 9 ObA 45/20p).
5. Verpflichtender Urlaubskonsum während Dienstfreistellung
Ein Mitarbeiter stand in einem befristeten Dienstverhältnis und wurde vor Ablauf der Befristung vom Dienst freigestellt. Er verweigerte, während dieser Dienstfreistellung den Resturlaub zu verbrauchen. Der Arbeitgeber bezahlte keine Urlaubsersatzleistung bei Beendigung des Dienstverhältnisses aus und der Mitarbeiter klagte dies.
Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass der Mitarbeiter nicht verpflichtet war, den Urlaub während der Dienstfreistellung zu konsumieren. Grundsätzlich gäbe es nämlich nach ständiger Rechtsprechung keine Obliegenheit des Arbeitnehmers den Urlaub in einer längeren Kündigungsfrist zu verbrauchen. Diese Obliegenheit gäbe es nur im Fall, dass der Nichtabschluss der Urlaubsvereinbarung eine Verletzung der Treuepflicht oder rechtsmissbräuchlich wäre.
Im konkreten Fall verweigerte der Arbeitnehmer während einer knapp 5-monatigen Dienstfreistellung den Verbrauch von 14 Tagen Resturlaub, zumal der damals bestehende erste „Lockdown“ während der COVID-19-Pandemie und die Betreuung eines schulpflichtigen Kindes während dieser Zeit die Urlaubsgestaltung massiv einschränkte. Es gab daher keinen Anlass zur Beurteilung, dass der Arbeitnehmer seine Obliegenheit zum Urlaubskonsum verletzt hätte. Der Arbeitgeber musste daher den offenen Urlaub trotz Dienstfreistellung auszahlen (OGH 24.03.2021, 9 ObA 21/21k).