1. Ausbildungskostenrückersatz
Der Beklagte war bei der Klägerin als Angestellter beschäftigt. Am 24. 1. 2020 unterschrieb er eine „Rückzahlungserklärung für die Kosten von Ausbildungsveranstaltungen“, die von der Arbeitgeberin nicht unterschrieben wurde.
In dieser heißt es unter anderem:
„Ich verpflichte mich hiermit zur Rückzahlung sämtlicher entstandener Kosten von Ausbildungsveranstaltungen, wenn das Dienstverhältnis innerhalb von 36 Monaten ab dem Ende der Ausbildung durch
• Dienstnehmerkündigung
(… )
beendet wird.
Besteht eine Ausbildung aus mehreren Teil (veranstaltung)en, werden die Gesamtkosten berücksichtigt. In diesem Fall läuft die 36‑Monatsfrist ab dem Ende der letzten Veranstaltung.
Die Basis des Rückzahlungsbetrages beträgt 100 % der Kursgebühren und der angefallenen Reise- und Unterbringungskosten und verringert sich um jeweils 1/36 für jeden vollen Kalendermonat innerhalb der 36‑Monatsfrist.
Zertifizierung Kommerz
Lehrgangs-Kosten. 4.026,00 + ca. 800,00 Reisekosten“.
Weiters werden die einzelnen Veranstaltungen des Lehrgangs aufgelistet. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstnehmerkündigung zum 31. 10. 2021.
Der Dienstgeber begehrt auf Basis der Erklärung vom 24. 1. 2020 die Rückzahlung eines Teils der Ausbildungskosten, 3.578,67 EUR sA. Der beklagte Dienstnehmerwendet unter anderem ein, dass es sich bei der Rückzahlungserklärung um keine gültige Vereinbarung handle, weil das zwingende Schriftformerfordernis nicht eingehalten worden sei. Unter Schriftlichkeit sei „Unterschriftlichkeit“ zu verstehen.
Der Oberste Gerichtshof entschied wie folgt:
Nach dem Gesetz kann eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nur auf Basis einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verlangt werden. Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt durch Unterschrift der Parteien zustande. Das Gebot der Schriftlichkeit bedeutet im Allgemeinen „Unterschriftlichkeit“ und erfordert die eigenhändige Unterschrift unter dem Text, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Ausnahme vor.
Nur im Einzelfall kann einem gesetzlichen Schriftlichkeitsgebot auch ohne Unterfertigung einer Erklärung entsprochen werden; die Zulässigkeit derartiger Ausnahmen richtet sich nach dem Zweck des jeweiligen Formgebots.
Das Gesetz verlangt für Ausbildungskostenrückersatz eine „schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“. Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer zu unterzeichnen ist.
Die Bestimmung stellt eine Schutzbestimmung zu Gunsten des Arbeitnehmers dar.
Eine Rückzahlungsvereinbarung wie die vorliegende ist auch nicht nur einseitig verbindlich. Selbst wenn sich in ihr der Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen zum Kostenersatz verpflichtet, resultiert daraus auch die Verpflichtung des Arbeitgebers für den Fall, dass der Arbeitnehmer die in Aussicht genommene Ausbildung absolviert, zumindest vorläufig die Kosten dafür zu übernehmen. Weiters ergibt sich daraus die Verpflichtung des Arbeitgebers, sofern die Bedingungen für den Kostenersatz nicht eintreten, diese Ausbildungskosten endgültig zu tragen.
Die Klägerin argumentiert damit, dass der Ausbildungskostenrückersatz bereits in dem auch von ihr unterfertigten Dienstvertrag aus dem Jahr 2012 zugrunde gelegt war und die nur vom Beklagten unterfertigte „Verpflichtungserklärung“ nur die Konkretisierung dieser Rückersatzvereinbarung behandelt, für die eine nochmalige Unterschrift des Arbeitgebers nicht notwendig sei.
Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass ein Ausbildungskostenrückersatz in Form einer Rahmenvereinbarung mit nachfolgender ergänzender Vereinbarung für die konkreten Kosten einer bestimmten Ausbildung wirksam vereinbart werden kann, ist daraus für die Klägerin nichts zu gewinnen. Sieht das Gesetz eine bestimmte Form der Vereinbarung vor, dann muss diese schriftliche Vereinbarung jedenfalls die wesentlichen Vertragspunkte umfassen. Das sind aber bei der Rückzahlungsvereinbarung die konkrete Ausbildung und die Gesamtkosten, deren Rückzahlung gefordert werden kann. Da diese erst in der „Rückzahlungserklärung“ enthalten waren, ist allein dadurch, dass die Grundlagenvereinbarung von beiden Parteien unterfertigt wurde, nicht von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses auszugehen.
Demnach liegt auch in der Vereinbarung im Dienstvertrag keine von beiden Parteien unterfertigte Rückzahlungsvereinbarung.. Die Verletzung des Schriftformerfordernisses führt zur (gänzlichen) Unwirksamkeit (Nichtigkeit) der Vereinbarung (OGH 24.4.2024, 9 ObA 57/23g),
2. Kein Gehaltsabzug für dem Arbeitgeber zuzurechnenden Minusstunden
Der Kläger war beim beklagten Unternehmen zunächst als Zusteller und in der Folge als Teamleiter beschäftigt. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses wies sein Zeitkonto Minusstunden auf, für die ihm die Arbeitgeberin in den Gehaltsabrechnungen zum Ende des Dienstverhältnisses das Entgelt kürzte. Eine im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung sieht vor, dass bei Beendigung des Dienstverhältnisses bestehende Zeitschulden mit dem Normalstundensatz von auszuzahlenden Beträgen abgezogen werden dürfen.
In Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass es für die Zulässigkeit eines solchen Abzugs unter Berücksichtigung maßgeblich sei, wessen Sphäre der Grund für das Unterbleiben der Arbeitsleistung zuzurechnen sei. Da es die Arbeitgeberin durch die Einteilung der Arbeit und die Vorgabe, dass mit der Erledigung der zugewiesenen Arbeit die Arbeitszeit ende, dem Arbeitnehmer unmöglich mache, allfällige Minusstunden abzuarbeiten, seien die Minusstunden der Sphäre der Arbeitgeberin zuzurechnen und ein Gehaltsabzug unzulässig.
Im vorliegenden Fall argumentiert die Arbeitgeberin, dass der Kläger zusätzlich „Mitbesorgungsstunden“, das bedeutet Zustellerdienste in anderen Rayons als dem ihm grundsätzlich zugewiesenen, geleistet habe. Diese Zeiten seien mit Zuschlag ausbezahlt und im Zeitkontingent als Minusstunden eingetragen worden. Wieso eine vom Arbeitnehmer während der Normalarbeitszeit erbrachte Leistung eine „Minusstunde“ darstellen soll, ist für den Obersten Gerichtshof aber nicht nachvollziehbar. Die Arbeitgeberin selbst verweist darauf, dass in diesen Fällen eine Dienstleistung erbracht wurde. Die gesonderte Entlohnung der Mitbesorgungsstunden ist in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen. Ob dies bei Erbringung dieser Leistungen im Rahmen der Normalarbeitszeit einen Überbezug darstellt, kann dahingestellt bleiben, weil die Arbeitgeberin die Entlohnung für Mitbesorgung ausdrücklich nicht zurückfordert.
Selbst wenn man aber der Arbeitgeberin darin folgt, dass diese Stunden im Zeitkontingent des Klägers zu Recht abgezogen wurden, ist für sie daraus nichts zu gewinnen: Sie behauptet nicht, dass, hätte der Kläger sich nicht zu Mitbesorgungsstunden bereit erklärt oder eingeteilt, er zu anderen Arbeitsleistungen herangezogen worden wäre. Der Kläger hatte auf die Menge der ihm zugewiesenen Arbeiten ebenso wenig Einfluss wie auf die Ermittlung des Zeitaufwands für seine Teamleitertätigkeit. Die Rayongrößen und damit die Menge der Zustellungen wurden ausschließlich von der Arbeitgeberin festgelegt. Die von ihr behaupteten Minusstunden sind daher ebenfalls auf ihre Rayoneinteilung und nicht auf ein Verhalten des Klägers zurückzuführen.
Da die Arbeitgeberin somit nicht darlegen konnte, dass die Voraussetzungen für einen zulässigen Gehaltsabzug vorlagen, erfolgte der Gehaltsabzug zu Unrecht (OGH 24. 4. 2024, 9 ObA 22/24m).