Rechtsprechung 01/11

Neue Gesetze

Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes

Das vorliegende Gesetz sieht eine Reihe von Regelungen vor, die eine Modernisierung der Mitbestimmung der Belegschaft zum Ziel haben. Weiters wurden ein neuer Betriebsvereinbarungstatbestand betreffend die Einführung von leistungsbezogenen Prämien und Entgelten sowie Änderungen bei der Kündigungsanfechtung gesetzlich verankert.

Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen nochmals zusammengefasst:

1. Modernisierung der Mitbestimmung
Folgende Änderungen sind als wesentlich hervorzuheben:
. Für die Enthebung des Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl wird das bisher erforderliche Anwesenheitsquorum von mindestens der Hälfte auf ein Drittel der stimmberechtigten Arbeitnehmer gesenkt.
. Herabsetzung des Wahlalters für das passive Wahlrecht zum Betriebsrat auf das vollendete 18. Lebensjahr (bisher 19. Lebensjahr).
. Einführung einer Rechtsgrundlage, die im Umlaufweg gefasste Betriebsratsbeschlüsse für zulässig erklärt; der schriftlichen Stimmabgabe gleichgesetzt werden die fernmündliche Stimmabgabe oder vergleichbare Formen der Beschlussfassung, etwa die Stimmabgabe per E-Mail. Weiters wird eine Pflicht des BR-Vorsitzenden zur Dokumentation der Beschlussfassung festgeschrieben.
. Präzisierung der wirtschaftlichen Informationsrechte des BR sowie seines Informationsrechtes im Fall von Betriebsänderungen.
. Erweiterung der Definition der jugendlichen Arbeitnehmer: Neben Arbeitnehmern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen künftig auch Lehrlinge bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres als jugendliche Arbeitnehmer iSd ArbVG gelten.

2. Betriebsvereinbarungen
Die Einführung von leistungsbezogenen Prämien und Entgelten (bisher: zwingende Mitbestimmung) bildet nunmehr den Tatbestand einer fakultativen Betriebsvereinbarung.

3. Änderungen bei der Kündigungsanfechtung
Die vorgesehene Frist für die Verständigung des Betriebsrates von der Kündigungsabsicht beträgt 1 Woche (bisher: 5 Arbeitstage). Damit sollen vor allem Streitfälle über die Frage, wann ein Arbeitstag im Betrieb vorliegt, vermieden werden. Die dem Arbeitnehmer für die Anfechtung von Kündigungen offenstehende Frist wird von 1 auf 2 Wochen verlängert. Dadurch sollen die Chancen für eine außergerichtliche Einigung verbessert und vorbeugende Klagseinbringungen vermieden werden. Die Frist für die Anfechtung durch den Betriebsrat hingegen bleibt mit einer Woche unverändert. Die Verlängerung der Frist für die Anfechtung von Kündigungen gilt für Kündigungen, die nach dem 31. 12. 2010 zugehen. In einer neuen Bestimmung wird bestimmt, dass die Einbringung der Anfechtungsklage durch den Arbeitnehmer binnen offener Frist auch dann als rechtzeitig gilt, wenn der Arbeitnehmer die Klage bei einem örtlich unzuständigen Gericht eingebracht hat. Dadurch soll vermieden werden, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Anfechtung einer Kündigung wegen eines bloßen Formalfehlers verliert, der aus der Unkenntnis über die betriebliche Struktur resultiert.

5. Inkrafttreten
Die Änderungen treten mit 1. 1. 2011 in Kraft, die Änderungen im Zusammenhang mit der Europäischen Betriebsverfassung jedoch erst mit 6. 6. 2011.
Kollektivvertrag Handelsangestellte
Die kollektivvertraglichen Mindestgehälter für die Handelsangestellten werden ab 1. 1. 2011 gestaffelt angehoben:
. um 2,3 % Mindestgehälter bis ? 1.500,-,
. um 2,1 % Mindestgehälter von ? 1.501,- bis ? 1.800,- und
. um 2 % Mindestgehälter ab ? 1.801,-.
. Eine gesonderte Anhebung erfolgt bei den niedrigsten Gehaltsstufen, sodass sich ein Mindestgehalt von ? 1.300,- ergibt.
. Die Lehrlingsentschädigungen steigen um 2,3 %.
Bestehende Überzahlungen bleiben centgenau aufrecht.

Im Rahmenrecht werden die Verfallsbestimmungen erweitert:
. Werden vom Arbeitgeber die laufenden Arbeitszeitaufzeichnungen nicht geführt oder vorgelegt, so verfallen die Ansprüche – sofern sie nicht dem Grund nach schriftlich geltend gemacht wurden – wie bisher grundsätzlich nach Ablauf von 6 Monaten nach Fälligkeit.
. Die Verfallsfrist beträgt aber 12 Monate, wenn die Arbeitszeitaufzeichnungen nicht geführt, in wesentlichen Teilen nicht geführt oder nicht vorgelegt werden und wegen des Umfangs des Betriebes diese Aufzeichnungen vom Arbeitgeber üblicherweise nicht überwiegend persönlich geführt werden und die Arbeitnehmer nicht in diese Aufzeichnungen Einsicht nehmen können.

Rechtsprechung

1. Kollektivvertrag Rechtsanwälte

Der Kollektivvertrag für Angestellte in Rechtsanwaltskanzleien Wien schreibt vor, dass Kündigungen schriftlich mittels eingeschriebenen Briefs erfolgen müssen. Außerdem enthält diese Bestimmung mit der Wendung „bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit“ eine eindeutige Rechtsfolgenanordnung für den Fall der Missachtung des Formgebots. Das Schriftformerfordernis stellt somit eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungserklärung dar. Der beklagte Rechtsanwalt kann sich daher im vorliegenden Fall nicht auf eine mündliche Kündigung der Arbeitnehmerin und auch nicht darauf berufen, das Schriftlichkeitsgebot nur aufgrund eines minderen Grads des Versehens nicht gekannt zu haben (OGH 3. 9. 2010, 9 ObA 73/10s).
2. Kein Günstigkeitsprinzip bei vereinbartem Kollektivvertrag

Wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung eines bestimmten Kollektivvertrages auf das Dienstverhältnis vereinbart, können im Dienstvertrag einzelne Punkte abweichend vom Kollektivvertrag geregelt werden, auch wenn diese Sonderregelungen für den Arbeitnehmer ungünstiger sind. Das Günstigkeitsprinzip ist in diesem Fall nicht anwendbar und es dürfen die Mindeststandards des (vereinbarten) Kollektivvertrages auch unterschritten werden. Eine vom Kollektivvertrag abweichende, für den Dienstnehmer ungünstigere Verfallsbestimmung im Dienstvertrag ist somit ebenso zulässig wie die Vereinbarung einer unter dem Taggeld des Kollektivvertrages liegenden Aufwandsentschädigung für Dienstreisen (OLG Wien 27. 1. 2010, 9 Ra 113/09t).

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