Arbeitsrecht 10/14

1. Keine „Ruhetagentschädigung“ bei Arbeit an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen im Handel

Eine Arbeitnehmerin, deren Dienstverhältnis dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten unterlag, arbeitete entgegen den Bestimmungen dieses Kollektivvertrages an zwei aufeinander folgenden Samstagen nach 13:00 Uhr. Sie erhielt für die diese Zeit durch ihren Arbeitgeber keine Abgeltung der Arbeitsleistung. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf eine weitere Abgeltung etwa in Form eines Zuschlages oder einer „Ruhetagentschädigung“ hat, weil der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten so eine nicht vorsieht. (OGH 29. 4. 2014, 9 ObA 25/14p, entnommen aus ARD 6416/7/2014)

2. EuGH: Nachwirkung eines gekündigten KV bei Betriebsübergang

In einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass ein gekündigter Kollektivvertrag unter folgenden Voraussetzungen eine Nachwirkung hat: Nach den gesetzlichen Bestimmungen hat der Erwerber eines Betriebes bei einem Betriebsübergang die „in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen“ bis zur Kündigung oder zum Ablauf des KV aufrecht zu erhalten, wie sie in dem KV für den Veräußerer vorgesehen waren. Dies gilt auch, wenn der KV des Veräußerers mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs aufgekündigt wird und das Recht des Mitgliedsstaates (im konkreten Fall Österreich) für den Fall der Kündigung eines KV eine Nachwirkung seiner Arbeitsbedingungen für die Arbeitsverhältnisse vorsieht, die unmittelbar vor seinem Erlöschen durch ihn erfasst waren. Auch solche bloß nachwirkenden Arbeitsbedingungen eines KV sind nämlich als „in einem KV vereinbarte Arbeitsbedingungen“ anzusehen. (EuGH 11. 9. 2014, C-328/13, ÖGB, entnommen aus ARD 6416/13/2014)

3. Krankenhausschließung und Eröffnung eines neuen Krankenhauses – kein Betriebsübergang

Ein Krankenhaus schloss seinen Betrieb und es wurde ein neues Krankenhaus eröffnet, wobei nur einige wenige Mitarbeiter vom geschlossenen Krankenhaus auf das neue Krankenhaus wechselten. Weiters kaufte das neue Krankenhaus nur Verbrauchsgüter in geringfügigem Umfang vom geschlossenen Krankenhaus. Der Oberste Gerichtshof kam in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass kein Betriebsübergang vorliegt. Weitere Kriterien, die nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes gegen einen Betriebsübergang im vorliegenden Fall sprachen: •    Der Erwerber hat weder Anlagevermögen (wie etwa stationäre medizinische Geräte) noch Betriebsliegenschaften des geschlossenen Krankenhauses übernommen, •    die – zum Zweck der medizinischen Versorgung der Bevölkerung erforderliche – Aufstockung der Betten im Krankenhaus des Erwerbers entsprach nicht zur Gänze der Anzahl der Betten, die im geschlossenen Krankenhaus vorhanden waren, •    Patientenakten und -dateien wurden nach der Schließung des Krankenhauses nicht an den Erwerber weitergegeben und •    nur die Hälfte der zuvor im geschlossenen Krankenhaus stationär betreuten Patienten und nur rund ein Drittel der ambulant betreuten Patienten sind nach der Schließung zum Erwerber abgewandert.

(OGH 23. 7. 2014, 8 ObA 11/14x, entnommen aus ARD 6416/14/2014)

4. Entgeltfortzahlung für Teilnahme an rechtswidrig einberufener Teilversammlung

Ein Betriebsrat (hier: in einem Dreischichtbetrieb) berief statt einer gemeinsamen Betriebsversammlung zwei Teilversammlungen ein. Er grenzte dabei aber den Kreis der Arbeitnehmer, die zur Teilnahme an den einzelnen Teilversammlungen und zur Stimmabgabe berechtigt waren, nicht genau ein. Der Oberste Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass der Betriebsrat durch die nicht ordnungsgemäße Einberufung zwar rechtswidrig gehandelt hat, doch hatten die teilnehmenden Arbeitnehmer dennoch Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Teilnahme an den Teilversammlungen. Die Arbeitnehmer waren nämlich in dem Glauben, zur Teilnahme an einer angekündigten Teilversammlung auch berechtigt zu sein. (OGH 29. 4. 2014, 9 ObA 27/14g, entnommen aus ARD 6415/6/2014)

5. Auflösung im Probemonat trotz Krankenstandes

1. Die Auflösung eines wirksam vereinbarten Probearbeitsverhältnisses ist auch während des Krankenstandes des Arbeitnehmers zulässig, ohne dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers entsteht. 2. Werden dem Arbeitnehmer dennoch weiterhin irrtümlich Bezüge angewiesen, können sie vom Arbeitgeber zurückgefordert werden, außer der Arbeitnehmer hat den Betrag gutgläubig verbraucht; in diesem Fall ist die Rückforderung ausgeschlossen. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern von der Rechtsprechung schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags auch nur zweifeln musste. Hatte der Arbeitnehmer selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit des vom Arbeitgeber trotz Auflösung des Dienstverhältnisses in der Probezeit überwiesenen Entgelts, kommt ein gutgläubiger Verbrauch nicht in Betracht. (OGH 22. 7. 2014, 9 ObA 66/14t, entnommen aus ARD 6414/7/2014)

6. Anbot einer einvernehmlichen Auflösung unmittelbar nach Entlassung

1. Schließt ein Arbeitnehmer unter dem Eindruck einer bereits ausgesprochenen Entlassung die ihm gleichzeitig angebotene (einvernehmliche) Auflösungsvereinbarung ab, so kommt es für die Redlichkeit des Arbeitgebers darauf an, ob für ihn zu diesem Zeitpunkt plausible und objektiv ausreichende Gründe für einen Entlassungsausspruch (hier: wegen vorsätzlicher Manipulation von Arbeitszeitaufzeichnungen) gegeben waren. Ist dies der Fall, kann nicht von der Ausübung ungerechtfertigten psychologischen Drucks die Rede sein. 2. Aus der Fürsorgepflicht lässt sich keine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, einen entlassenen Arbeitnehmer, dem er noch eine gesichtswahrende einvernehmliche Auflösung ermöglichen will, zuvor über mögliche rechtliche Schwachstellen des Entlassungsausspruchs und die Möglichkeiten einer Anfechtung aufzuklären. (OGH 26. 6. 2014, 8 ObA 26/14b, entnommen aus ARD 6414/8/2014)

7. Anfechtung einer im Gegenzug zur Rücknahme der Entlassung zugestimmten einvernehmlichen Auflösung

Nimmt ein Arbeitnehmer unmittelbar nach seiner Entlassung das Angebot des Arbeitgebers an, die Entlassung zurückzunehmen, wenn der Arbeitnehmer einer sofortigen einvernehmlichen Auflösung zustimmt, kann der Arbeitnehmer die Auflösungserklärung nicht mit einer Rechtsgestaltungsklage (Begehren, die Auflösungsvereinbarung für unwirksam zu erklären) anfechten, weil eine erfolgreiche Anfechtung dieser Auflösungsvereinbarung auch die damit untrennbar verknüpfte Rücknahme der Entlassung beseitigen würde. Mit dem Rechtsgestaltungsbegehren allein könnte der Arbeitnehmer somit sein erkennbares Rechtsschutzziel, die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses, nicht erreichen. (OGH 26. 6. 2014, 8 ObA 26/14b, entnommen aus ARD 6414/9/2014)

8. Nebenbeschäftigung trotz ausdrücklichen Verbots – Entlassung

Hat ein Arbeitnehmer, als er vom Geschäftsführer aufgefordert wurde, seine bereits im Dienstvertrag ausdrücklich untersagte selbstständige Nebentätigkeit als Vertreter eines Rabattkartenunternehmens zu beenden, diesem gegenüber ganz bewusst den falschen Eindruck vermittelt, seiner Weisung folgen zu wollen, tatsächlich aber danach nicht nur die untersagte Nebentätigkeit fortgesetzt, sondern dabei auch das weitere Verbot missachtet, über seine Firmen-Mailadresse oder sein Firmenhandy mit seinen Kunden zu kommunizieren, rechtfertigt dies die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit. Die Täuschung des Geschäftsführers und der mehrfache Verstoß gegen eine berechtigte Weisung rechtfertigt objektiv die Befürchtung einer ernstlichen Gefährdung der Belange des Arbeitgebers, zumal wenn der Arbeitnehmer – wie im vorliegenden Fall – als Außendienstmitarbeiter schwer kontrollierbar war und eine gewisse Vertrauensstellung innehatte. Ob durch das Verhalten des Arbeitnehmers tatsächlich ein Schaden verursacht wurde, ist nicht Tatbestandsmerkmal des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit. (OGH 26. 5. 2014, 8 ObA 31/14p, entnommen aus ARD 6414/13/2014)

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