Arbeitsrecht 2/2024


1. Schlüssiger Austritt

Der Kläger war bei der Beklagten als Zusteller beschäftigt. Nach einem Krankenstand sagte ihm die Beklagte zu, ihn vorerst nur für leichtere Touren einzusetzen. Am 28. 12. 2021 beschwerte sich der Kläger, dass ihm eine zu schwere Tour zugewiesen worden sei, woraufhin die Beklagte ihm eine leichtere Tour zuteilte, bei welcher er ein Auto von Wien nach Linz überstellen hätte müssen. Der Kläger lehnte aber auch diese Tour ab, erklärte „Diese Scheißfirma, ich kündige“ und verließ die Betriebsstätte der Beklagten. Danach übermittelte er eine Krankmeldung.

Strittig war, ob es sich bei dieser Erklärung um einen Austritt aus dem Dienstverhältnis gehandelt hat. Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass sowohl die Kündigung als auch der Austritt auch schlüssig ausgesprochen werden können. Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen ist aber ein strenger Maßstab anzulegen; es darf kein vernünftiger Grund für Zweifel daran übrig bleiben, dass der Wille vorliegt, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen.

Die Erklärung des Klägers wurde im Zusammenhang mit dem Verlassen der Betriebsstätte als (schlüssige) Austrittserklärung verstanden, weswegen ihm keine weiteren Entgeltansprüche mehr zustanden (OGH 13.12.2023, 8ObA77/23s).

2. Erweiterter Kündigungsschutz durch Betriebsvereinbarung?

Eine Arbeitgeberin und der Betriebsrat schlossen eine Betriebsvereinbarung, wonach den Beschäftigten nach 10 Dienstjahren ein erweiterter Kündigungsschutz zusteht. Dieser sieht vor, dass die Kündigung nur aus bestimmten angeführten Gründen erfolgen darf. Der Kündigungsschutz soll nach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung als Zusatz zum Arbeitsvertrag schriftlich verankert werden.

Seit dem Abschluss der Betriebsvereinbarung kam es zu keiner Kündigung, bei der der gekündigte Arbeitnehmer unter den Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarung gefallen wäre.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, die Arbeitgeberin zu verpflichten, als Zusatz zu ihrem Arbeitsvertrag die schriftliche, unbedingte, rechtsgeschäftliche Willenserklärung abzugeben, dass der Klägerin der erweiterte Kündigungsschutz zustehe. Aufgrund der Betriebsvereinbarung habe sie einen Rechtsanspruch auf Ausstellung dieses schriftlichen Zusatzes zum Arbeitsvertrag. Sollte es sich um eine freie Betriebsvereinbarung handeln, sei die Regelung ausdrücklich und konkludent zum Inhalt ihres Arbeitsvertrags geworden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Klägerin nicht recht:

Gemäß § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG können Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten der „Kündigungsfristen und Gründe zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ abgeschlossen werden. Dieser Ermächtigungstatbestand umfasst nach seinem klaren Wortlaut aber nicht die Festlegung einer Kontrahierungspflicht auf einzelvertraglicher Ebene. Soweit eine Betriebsvereinbarung daher einen erweiterten Kündigungsschutz für die Beschäftigten regelt und die schriftliche Verankerung dieses erweiterten Kündigungsschutzes als Zusatz zum Arbeitsvertrag vorsieht, stellt dies daher einen unzulässigen Regelungsgegenstand dar und ist dieser Teil der Betriebsvereinbarung nichtig.

Die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Ausstellung des entsprechenden Zusatzes zum Arbeitsvertrag aufgrund einer sogenannten freien Betriebsvereinbarung scheitert im vorliegenden Fall daran, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Betriebsvereinbarungsparteien zumindest schlüssig zu erkennen gegeben haben, dass sie sich an den unzulässigen Teil der Betriebsvereinbarung halten wollten (OGH 18.10.2023, 9 ObA 65/23h).

3. Unterschiedliche Rechtsansichten über Arbeitnehmeransprüche – kein Bossing

Ein Kläger behauptete, wegen der Ablehnung seines Antrags auf Elternteilzeit zunehmend ausgegrenzt und diskriminiert worden zu sein. Da aber in Wahrheit keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Elternteilzeit bestand, war der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine derartige Elternteilzeit – ohne gesetzliche Grundlage – zu gewähren. Dass in diesem Fall der beklagte Arbeitgeber die arbeitsvertraglich vereinbarte und geschuldete Arbeitsleistung vom Kläger einforderte, kann ihm nicht als Bossing (= Mobbing durch Vorgesetzte) ausgelegt werden. Auch aus der unbedachten Äußerung seiner Vorgesetzten im Zug einer emotionalen Auseinandersetzung, der Kläger könne auch gleich in „Behindertenpension“ gehen, weil er bei allen Gelegenheiten auf seine gesundheitlichen Einschränkungen hinweist, leitet das Berufungsgericht kein prozesshaftes, systematisch ausgrenzendes Geschehen über einen längeren Zeitraum im Sinne eines Bossings ab.

Der OGH begründet dies wie folgt:

Wenn der Kläger davon ausgeht, dass er herabwürdigend behandelt worden sei, lässt sich das nicht ableiten. Dass die in einem emotional geführten Gespräch einmalige unangemessene verbale Äußerung der unmittelbaren Vorgesetzten von den Vorinstanzen nicht als systematisches, prozesshaftes Geschehen beurteilt wurde, ist nicht zu beanstanden.

Soweit der Kläger die Nichtgewährung der von ihm beanspruchten Teilzeitvereinbarung als Mobbing/Bossing qualifiziert, übergeht er, dass allein der Umstand, dass der Arbeitgeber eine andere Rechtsansicht über einzelne aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Ansprüche hat als der Arbeitnehmer, noch kein Bossing darstellt. Nach den Feststellungen war man vonseiten des Arbeitgebers trotz unterschiedlicher Rechtsauffassung ohnehin bemüht, in Gesprächen einen für alle annehmbaren Kompromiss zu finden. Dass dabei eine einseitig vom Kläger vorgenommene Reduktion seiner Arbeitszeit nicht akzeptiert wurde, stellt keinen Grund dar, das Verhalten des Arbeitgebers als „Bossing“ zu qualifizieren.

Schadenersatzansprüche aus Verletzung der Fürsorgepflicht und „Bossing“ verneinte der Oberste Gerichtshof daher (OGH 27. 9. 2023, 9 ObA 66/23f).

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