Arbeitsrecht 6/2023

1. Entlassung eines Arbeitnehmers

Ein Arbeitgeber hatte gegenüber einem Arbeitnehmer Lohnrückstände. Der Arbeitnehmer stellte daraufhin seine Arbeitsleistung teilweise ein, der Arbeitgeber sprach die Entlassung aus. Der Oberste Gerichtshof musste klären, ob die Entlassung gerechtfertigt war und verneinte dies:

Ein Entlassungsgrund ist verwirklicht, wenn sich der Angestellte beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten oder sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen. Unter „beharrlich“ ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Dienste bzw der Befolgung der Anordnung gerichteten Willens zu verstehen.

Ein Arbeitnehmer ist aber berechtigt, seine Arbeitsleistung solange zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber einen bereits fällig gewordenen Lohnrückstand gezahlt hat. Dem Arbeitnehmer gebührt auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Arbeitgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

Es genügt, dass der Arbeitnehmer einen derartigen die Arbeitsverweigerung rechtfertigenden Grund im Prozess nachweist, ohne dass es darauf ankommt, ob er diesen Grund im Zeitpunkt der Ablehnung der Arbeit vorgebracht hat.

Der Arbeitgeber konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die Entlassung gerechtfertigt sei, weil der Kläger nur die ihm aufgetragene, nicht aber jegliche Arbeitsleistung verweigert habe.

Der Kläger wurde daher ungerechtfertigt entlassen (OGH 24.1.2023, 9 ObA 135/22a).

2. Schwangerschaft nach Kündigung

Eine Mitarbeiterin wurde gekündigt und wurde während der Kündigungsfrist schwanger. Sie focht die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit aufgrund ihrer Schwangerschaft.

Fraglich war, ob sie sich dabei auf die nach Kündigungsausspruch eingetretene Schwangerschaft berufen konnte. Daher äußerte sich der Oberste Gerichtshof wie folgt:

Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre ist für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Zeitpunkt der durch die angefochtene Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses (sog Konkretisierungszeitpunkt) maßgebend. Entscheidend ist eine vom Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehende Prognose über die nach diesem Zeitpunkt aller Voraussicht nach wirksam werdenden Folgen der Kündigung für die wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers. Künftige Entwicklungen der Verhältnisse nach der Kündigung sind dann in die Beurteilungsgrundlage einzubeziehen, wenn sie noch mit der angefochtenen Kündigung in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.

In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof etwa ausgesprochen, dass der Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung der gekündigten Arbeitnehmerin nach dem Kündigungsausspruch nicht mehr in sachlichem Zusammenhang mit der Kündigung steht, weil diese Interessenbeeinträchtigung der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung im Rahmen einer rational nachvollziehbaren Prognose nicht vorhersehbar war.

Der Eintritt der Schwangerschaft der Klägerin erst nach dem Kündigungsausspruch war für die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt nicht voraussehbar. Dieser Umstand steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Kündigung. Die Schwangerschaft der Klägerin konnte daher nicht bei Beurteilung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung berücksichtigt werden (OGH 24.1.2023, 9 ObA 131/22p).

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