1. Beginn des Kündigungsschutzes begünstigter Behinderter
Die Klägerin war bei der beklagten Arbeitgeberin als Postzustellerin und Teamleiterin beschäftigt. Nachdem sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Zustellerin arbeiten konnte, wurde sie von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 3. 5. 2019 gekündigt. Mit Bescheid vom 3. 7. 2019 stellte das Sozialministeriumservice fest, dass die Klägerin ab 14. 5. 2019 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Die Klägerin begehrte die Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses. Der Oberste Gerichtshof wies die Klage allerdings ab: Die Kündigung eines begünstigten Behinderten darf erst ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss zugestimmt hat. Der Kündigungsschutz setzt aber einen Bescheid der Verwaltungsbehörde voraus, mit welchem die Behinderteneigenschaft festgestellt wird.
Der OGH hat deshalb bereits ausgesprochen, dass der Kündigungsschutz eines begünstigten Behinderten erst mit jenem – im Bescheid ausdrücklich festgestellten – Zeitpunkt beginnt, für den das Vorliegen einer Behinderung von der Verwaltungsbehörde festgestellt wurde. Da die Behinderteneigenschaft der Klägerin erst ab 14. 5. 2019 festgestellt wurde, bleibt die Wirksamkeit der Kündigung vom 3. 5. 2019 unberührt (OGH 29. 3. 2023, 8 ObA 5/23b).
2. Ausbildungskostenrückersatz
Der Zweck dieser Bestimmung über den Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers für von ihm aufgewendete Ausbildungskosten liegt darin, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Dem Arbeitnehmer soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde
Die herrschende einhellige Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass dem Gesetzeszweck entsprechend nur eine vor der Ausbildung abgeschlossene Vereinbarung dem Arbeitnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung sichert, sich auf eine Ausbildung einzulassen, die unter bestimmten Umständen zu einem Ausbildungskostenrückersatz führen kann.
Im Anlassfall steht fest, dass die Arbeitgeberin mit der beklagten Arbeitnehmerin vor Abschluss des Dienstvertrags und Dienstantritts keine Vereinbarung über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten der vorgesehenen berufsbegleitenden Ausbildung getroffen hat. Es steht auch nicht fest, dass die Arbeitnehmerin vor Unterfertigung der ihr erst nach Beginn des Studiensemesters erstmals vorgelegten Vereinbarung zumindest ein Bewusstsein hatte, dass es eine Verpflichtung zum Ausbildungskostenersatz geben könnte. Sie hätte außerdem eine andere Möglichkeit gehabt, eine gleichartige Ausbildung zu absolvieren, wobei dann außer Materialkosten keine Kosten angefallen wären. Die Arbeitnehmerin war bei Dienstantritt der Ansicht, dass alles hinsichtlich der Ausbildung und der Tätigkeit schon geregelt sei und dass die Kosten durch die Bezahlung der Studiengebühren und eine beantragte AMS-Förderung abgedeckt wären.
Die Arbeitnehmerin musste daher – trotz Eigenkündigung nach Abschluss der von der Arbeitgeberin finanzierten Ausbildung – keinen Ersatz leisten (OGH 21. 4. 2023, 8 ObA 22/23b).