- Ist eine Bereichsleiterin leitende Angestellte?
Die Bereichsleiterin wurde gekündigt und wollte ihre Kündigung gerichtlich anfechten. Fraglich war, ob sie eine Anfechtungsklage erheben durfte:
Eine Anfechtungsklage auf Grundlage des Arbeitsverfassungsgesetzes ist nämlich nicht für leitende Angestellte zulässig, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht. Als leitende Angestellte im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sind vor allem Arbeitnehmer anzusehen, die durch ihre Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten können. Dabei steht die Entscheidungsbefugnis im personellen Bereich im Vordergrund. Es kommt daher auf die Entscheidungsbefugnis beim Eingehen und Auflösen von Arbeitsverhältnissen, bei Gehaltsfragen, bei Vorrückungen, bei der Urlaubseinteilung, bei der Anordnung von Überstunden, bei der Ausübung des Direktionsrechts und bei der Aufrechterhaltung der betrieblichen Disziplin an. Völlige Weisungsfreiheit ist hingegen nicht erforderlich.
Die Bereichsleiterin durfte gemäß Geschäftsordnung ihres Arbeitgebers Dienstverhältnisse nur mit Genehmigung der Geschäftsführung begründen und beenden. In der Praxis wurde dies aber so umgesetzt, dass die Ausschreibung einer Stelle von der Geschäftsführung zu genehmigen war, nicht aber die Besetzung und der Abschluss des Dienstvertrags mit dem von der Bereichsleiterin ausgewählten Bewerber. Auch durfte die Bereichsleiterin eigenständig über das Gehalt neuer Mitarbeiter bestimmen, Weisungen erteilen, Überstunden anordnen, Urlaube genehmigen und Leistungsprämien zusagen. Sie wählte ihre Mitarbeiter aus, entschied über die Beendigung der Arbeitsverhältnisse und bestimmte deren Gehalt, woraufhin die Personalentscheidungen der Klägerin von der Personalabteilung umgesetzt wurden. Sie erteilte Weisungen, koordinierte die Arbeitseinsätze, ordnete Überstunden an, genehmigte Urlaube, verhängte Urlaubssperren, führte Mitarbeitergespräche und entschied über die Gewährung von Leistungsprämien.
Diese Befugnisse sind laut Oberstem Gerichtshof ausreichend, um die Mitarbeiterin als leitende Angestellte anzusehen. Ihr war somit eine Kündigungsanfechtung nach dem Arbeitsverfassungsgesetz verwehrt (OGH 3. 8. 2023, 8 ObA 45/23k).
- 2. Verjährung von Urlaub
Ein Mitarbeiter war von 2003 bis Ende 2020 angestellt. Während seines Dienstverhältnisses verbrauchte er insgesamt nur 121 Urlaubstage. Er wurde vom Arbeitgeber nicht dazu aufgefordert, seinen Urlaub zu verbrauchen, und auch nicht auf die drohende Verjährung hingewiesen. Wenn der Kläger Urlaub beanspruchte, wurde ihm dieser Urlaub auch gewährt. Die Arbeiten des Klägers erfolgte unter ständigem starken Druck als einziger Angestellter, der über die notwendige Ausbildung und Erfahrung verfügte.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger eine über die bereits erhaltene Urlaubsersatzleistung hinausgehende Urlaubsersatzleistung für 322,75 Tage. Eine Verjährung sei nicht eingetreten, weil er keine Möglichkeit gehabt habe, den Urlaub zu verbrauchen, zumal die Versorgung der Tiere und die Aufrechterhaltung des Gutsbetriebs dann nicht gewährleistet gewesen wäre.
Der Oberste Gerichtshof kam zu folgendem Ergebnis:
Das österreichische Arbeitsrecht sieht einen jährlichen Urlaubsanspruch von zumindest 30 Werktagen vor. Dieser verjährt nach Ablauf von 2 Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Die Übertragung von nicht konsumierten Urlaubsansprüchen auf die folgenden Urlaubsjahre ist nur so lange möglich, wie sie nicht verjährt sind. Für den tatsächlichen Verbrauch des Naturalurlaubs stehen damit insgesamt 3 Jahre zur Verfügung.
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebührt dem Arbeitnehmer für den nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren eine Ersatzleistung in der Höhe des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist.
Mittlerweile hat der EuGH in einem vom deutschen Bundesarbeitsgericht eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren ausgesprochen, dass eine nationale Regelung unzulässig ist, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf einer Frist von 3 Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmernicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen (EuGH 22. 9. 2022, C-120/21). Der Arbeitgeber könnte sich sonst seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer entziehen und wäre durch den Urlaubsverfall auch bereichert.
Aufgrund dieser Entscheidung des EuGH steht nunmehr fest, dass der unionsrechtlich gesicherte Urlaubsanspruch nicht verjähren kann, wenn der Arbeitgeber seiner Aufforderungs- und Hinweispflicht gegenüber dem Arbeitnehmer nicht nachgekommen ist.
Mit der neuesten Entscheidung ist klargestellt, dass der EuGH eine eigene von den konkreten Möglichkeiten einer effizienten Rechtsdurchsetzung unabhängige Verhaltenspflicht des Arbeitgebers rückwirkend festlegt.
Der Arbeitgeber hat den Kläger weder dazu aufgefordert, seinen Urlaub zu verbrauchen, noch ihn auf die drohende Verjährung hingewiesen und damit gegen seine vom EuGH nunmehr festgelegte Verpflichtung verstoßen, dafür zu sorgen, dass der Kläger seinen Jahresurlaub tatsächlich in Anspruch nimmt, was einer Verjährung des Urlaubsanspruchs entgegensteht (OGH 27. 6. 2023, 8 ObA 23/23z).