1. Drohung mit Strafanzeige
Ein Arbeitnehmer wurde von seinem Arbeitgeber gekündigt. Der Kläger richtete daraufhin ein Schreiben an den Präsidenten der Beklagten, in dem er ihn mit dem Vorwurf konfrontierte, dass er ein „geschlechtliches Verhältnis“ zu einer Mitarbeiterin gehabt habe und für diese einen Posten geschaffen habe. Der Kläger forderte den Präsidenten der Beklagten deshalb auf, die Bestellung dieser Mitarbeiterin als Direktor‑Stellvertreterin rückgängig zu machen, widrigenfalls er den Vorstand der Beklagten wegen des Straftatbestands der Untreue anzeigen würde, wobei er auch darauf aufmerksam machte, dass dann nicht auszuschließen sei, dass „das Ganze“ an die Öffentlichkeit komme. Die Beklagte entließ daraufhin den Kläger, ohne dass ein bestimmter Entlassungsgrund angegeben worden wäre. Da der Direktor der Beklagten damals ortsabwesend war, ordnete er an, dass dieses Schreiben – wie bereits früher in dringenden Fällen – mit einer Nachbildung seiner Unterschrift versehen wird.
Der Kläger begehrte die Feststellung des aufrechten Bestands seines Dienstverhältnisses, in eventu die Feststellung der Unwirksamkeit seiner Entlassung. Angesichts der für die Beklagte geltenden Zeichnungsvorschriften entfalte das Entlassungsschreiben mangels eigenhändiger Unterschrift des Direktors der Beklagten keine Rechtswirkungen. Im Übrigen sei die Entlassung nicht gerechtfertigt, weil der Kläger aufgrund seiner Treuepflicht zur Beklagten sogar verpflichtet gewesen sei, auf die Klärung strafrechtlich relevanten Verhaltens und die Beseitigung von Missständen in der Führungsebene der Beklagten hinzuwirken.
Die Beklagte wendete ein, dass die Entlassung keinen Formvorschriften unterliege und auch keine Verpflichtung bestehe, bestimmte Entlassungsgründe anzugeben. Der Beklagten habe durch die unberechtigten Vorwürfe des Klägers eine massive Rufschädigung gedroht, was die Entlassung des Klägers rechtfertige.
Der Oberste Gerichtshof hielt die Entlassung für gerechtfertigt:
Nach ständiger Rechtsprechung müssen die für die Entlassung eines Arbeitnehmers maßgeblichen Gründe nicht schon in der Entlassungserklärung angeführt werden, sondern es genügt, wenn sie im Zeitpunkt der Entlassung objektiv vorhanden waren
Der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass der Direktor der Beklagten aufgrund seiner Zuständigkeit für die laufende Geschäftsführung in Personalangelegenheiten die Entlassung aussprechen durfte. Wohl aber meint der Kläger, dass das Unterlassungsschreiben unwirksam sei, weil der Direktor der Beklagten nicht eigenhändig unterschrieben habe. Nach den Vorschriften des ABGB genügt eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift auf mechanischem Wege für die Erfüllung des Schriftformgebots nur dort, wo sie im Geschäftsverkehr üblich ist. Die Entlassungserklärung ist aber nicht an die Schriftform gebunden und kann infolgedessen auch in jeder anderen Form erklärt werden. Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass die Entlassung keiner firmenmäßigen Fertigung bedarf, selbst wenn ihre Mitteilung schriftlich erfolgt.
Der Kläger bestreitet weiters das Vorliegen eines Entlassungsgrundes, weil er von der Richtigkeit der von ihm erhobenen Anschuldigungen ausgegangen und deshalb berechtigt gewesen sei, die Beklagte auf bestehende Missstände hinzuweisen. Richtig ist, dass den Dienstnehmer bei strafrechtswidrigem Verhalten des Dienstgebers keine Verschwiegenheitspflicht trifft und er im Interesse der Allgemeinheit auch zur Erstattung einer Strafanzeige berechtigt ist. Ein solches Verhalten ist aber nur gerechtfertigt, wenn die erhobenen Anschuldigungen wahr sind oder der Arbeitnehmer zumindest hinreichende Gründe hatte, die Behauptung für wahr zu halten. Demgegenüber können bloße unsubstantiierte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Dienstgebers keine Schritte rechtfertigen, die geeignet sind, dem Dienstgeber schweren Schaden zuzufügen. Haltlose und subjektiv unbegründete Anschuldigungen begründen deshalb einen Entlassungsgrund. Da der Kläger keine Kenntnis von den Umständen hatte, die zur Ernennung der konkreten Mitarbeiterin zur zweiten Direktor‑Stellvertreterin führten, und er seine schwerwiegenden Anschuldigungen auch nicht überprüft hatte, obwohl ihm bewusst sein musste, dass er den Ruf der Beklagten durch eine Strafanzeige schwer beschädigen würde, war die Entlassung des Klägers gerechtfertigt (OGH 30.8.2022, 8 ObA 38/22d).
2. Voraussetzungen für den Beginn des Kündigungsschutzes bei Elternteilzeit
Ein Arbeitnehmer war nach der Geburt seiner Tocher in Vaterschaftskarenz und äußerte danach gegenüber seinem Vorgesetzten, dass er in Elternteilzeit gehen möchte. Ob er dabei ein konkretes wöchentliches Stundenausmaß nannte, auf das seine Arbeitszeit reduziert werden sollte, steht nicht fest. Der Vorgesetzte äußerte, dass er sich eine Reduktion der Arbeitszeit des Klägers in Anbetracht eines laufenden größeren Projekts nicht vorstellen könne und verwies den Kläger an die HR-Abteilung. Am selben Tag übermittelte der Kläger eine Outlook-Termineinladung an seinen Vorgesetzten und den stellvertretenden Leiter der HR-Abteilung, in der er ausführte, dass er beabsichtige, in Elternteilzeit zu gehen, der Termin solle der weiteren Abstimmung dienen. Noch vor diesem Termin wurde der Kläger gekündigt. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Kläger der Arbeitgeberin vor Ausspruch der Kündigung seinen Elternteilzeit- bzw Teilzeitbeschäftigungsanspruch im Hinblick auf dessen Dauer, Ausmaß oder Lage schriftlich oder mündlich bekannt gab.
Der Kläger begehrte die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses.
Der OGH wies die Klage aus folgenden Gründen ab:
Beabsichtigt der Arbeitnehmer den Antritt der Teilzeitbeschäftigung, so hat er dies dem Arbeitgeber einschließlich Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung spätestens drei Monate vor dem beabsichtigten Beginn schriftlich bekannt zu geben.
Diese strengen Formerfordernisse dienen einerseits dazu, für den Arbeitgeber eine ausreichende Entscheidungs- und Dispositionsgrundlage darzustellen. Andererseits sind sie gerade auch für die verfahrensrechtliche Durchsetzung der Interessen des Arbeitnehmers erforderlich: Dieser kann nämlich die von ihm vorgeschlagene Teilzeitbeschäftigung zu den von ihm bekannt gegebenen Bedingungen ohne Weiteres antreten, sofern der Arbeitgeber nicht einen der gesetzlich vorgesehenen verfahrensrechtlichen Schritte dagegen vornimmt. Bei Einhaltung der gesetzlichen Formerfordernisse für die Bekanntgabe der Teilzeitbeschäftigung wirkt sich rechtliche Untätigkeit allein zum Nachteil des Arbeitgebers aus.
Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung zu den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes auch ein nur mündlich gestelltes Teilzeitbeschäftigungsbegehren einer Arbeitnehmerin trotz des gesetzlichen Schriftlichkeitsgebots dennoch zum Kündigungsschutz führt, wenn sich der Arbeitgeber auf Verhandlungen über dieses Begehren einlässt, es letztlich zu einer Vereinbarung über die Teilzeit kommt und am objektiven Erklärungswillen, eine Teilzeitbeschäftigung nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu vereinbaren, kein ernster Zweifel bestehen kann. Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor: Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger auch für die Arbeitgeberin erkennbar den objektiven Willen geäußert hat, eine Teilzeitbeschäftigung zu vereinbaren, so hat sich die Arbeitgeberin weder auf Verhandlungen über dieses Begehren eingelassen noch ist es darüber zu einer Vereinbarung gekommen.
Bei fehlender Einigung der Arbeitsvertragsparteien lässt (nur) die präzise und rechtzeitige Bekanntgabe der Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung durch den Arbeitnehmer den Kündigungsschutz mit der erforderlichen objektiven Sicherheit für beide Vertragsparteien beginnen.
Dem Arbeitnehmer stand daher nur noch die Anfechtungsklage wegen einer Motivkündigung (wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber infrage gestellter Ansprüche) sowie nach dem Gleichbehandlungsgesetz zur Verfügung (OGH 31.8.2022, 9 ObA 92/22b).
3. Notwendige Einschulung in neuem Job begründet keine wesentliche Interessenbeeinträchtigung
Ein Arbeitnehmer wurde gekündigt und focht die Kündigung gerichtlich wegen Sozialwidrigkeit an. Er hatte nach verschiedenen Tätigkeiten (vor allem Gastronomie, Lebensmittel- und Einzelhandel) die Lehrabschlussprüfung zum Einzelhandelskaufmann absolviert. Danach war er beim beklagten Arbeitgeber als U-Bahnfahrer und Stationswart und infolge von Krankenständen zuletzt im Leichtdienst eingesetzt. Strittig war im Verfahren, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen des Klägers beeinträchtigt werden und die Kündigung damit sozialwdrig ist.
Der Kläger verdiente zuletzt in Summe € 2.240,68 brutto, bei einer Postensuchdauer bis zu maximal drei Monaten konnte er laut einem Gutachten eine Vollzeitbeschäftigung als Verkäufer oder Callcenter-Mitarbeiter (als letzterer mit einem Bruttogehalt von monatlich durchschnittlich € 1.700,-) und bei einer Postensuchdauer von bis zu zwölf Monaten eine Vollzeitbeschäftigung als Filialleiter oder Filialleiter-Stellvertreter oder Triebfahrzeugführer (als letzterer mit einem Bruttogehalt von zumindest € 2.500,- zuzüglich Sonderzahlungen) erlangen. Unter Bedachtnahme auf das Familieneinkommen, die Gesamtausgaben, sein Alter (im Konkretisierungszeitpunkt 33 Jahre), die nicht übermäßig lange Dauer seiner Beschäftigung beim beklagten Arbeitgeber und das Fehlen von Sorgepflichten kam der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass wesentliche Interessen des Arbeitnehmers (noch) nicht beeinträchtigt seien.
Der Oberste Gerichtshof hält dazu auch fest, dass in einer allenfalls notwendigen Ein- oder Umschulung nicht schon als solche eine berücksichtigungswürdige Interessenbeeinträchtigung liegt, weil eine solche Maßnahme nicht mit einer finanziellen oder anders gearteten Schlechterstellung im Verhältnis zum bisherigen Arbeitsplatz einhergehen muss. Derartiges ist auch hier nicht ersichtlich, weil für Triebwagenführer sogar höhere Verdienstmöglichkeiten bestehen. Dass für sie im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein geringer Stellenmarkt bestand, wurde im Rahmen der Postensuchdauer mitbedacht.
Es waren im konkreten Fall daher keine Umstände ersichtlich, aus denen hervorginge, dass der Arbeitnehmer in wesentlichen Interessen beeinträchtigt gewesen wäre (OGH 31.8.2022, 9 ObA 88/22i).
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