1. Anfechtung einer Auflösungsvereinbarung wegen Drucksituation
Eine Dienstnehmerin (Kindergärtnerin) hielt während ihres Krankenstandes in ihrer Wohnung einen Malkurs mit sechs Kindern und dann einen Malkurs mit vier Erwachsenen ab. Nachdem der Arbeitgeber davon Kenntnis erlangt hatte, führte er in der Folgewoche ein Gespräch mit ihr. Dabei erklärte er, dass ihr Verhalten ein schwerwiegendes Vergehen darstelle, das eine Entlassung rechtfertige. Ihr werde eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses angeboten. Sollte sie damit nicht einverstanden sein, so werde die Entlassung ausgesprochen. Die Klägerin entschuldigte sich und bat um einen Tag Bedenkzeit. Dies wurde vom Dienstgeber mit dem Hinweis abgelehnt, dass er eine Entlassung schnell aussprechen müsse. Schließlich erklärte sich die Dienstnehmerin mit einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses einverstanden, focht diese aber in der Folge an.
Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, dass es für die Beurteilung der Ausübung eines ungerechtfertigten Drucks darauf ankommt, ob für den Dienstgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausibel und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegebenen waren. Entscheidend ist, ob der Dienstgeber den Dienstnehmer zu einer einvernehmlichen Auflösung drängen will, weil er von seiner Rechtsposition nicht überzeugt ist. Dazu kommt die Obliegenheit des Dienstgebers, vor dem Ausspruch der Entlassung zu prüfen, ob sich der Dienstnehmer tatsächlich eines pflichtwidrigen Verhaltens schuldig gemacht hat. Dementsprechend hat er zumindest zu versuchen, den Sachverhalt unter Beiziehung des Dienstnehmers aufzuklären.
Im konkreten Fall prüfte der Arbeitgeber aber nicht, ob die Abhaltung von Malkursen für die Dienstnehmerin eine gesundheitliche Belastung darstellte. Entscheidend kam hinzu, dass der Dienstnehmerin die von ihr gewünschte Bedenkzeit von einem Tag ohne sachlichen Grund nicht gewährt wurde. Der OGH kam zu dem Ergebnis, dass die Androhung der Entlassung – ohne Aufklärung der gesundheitlichen Belastungen durch die beiden Malkurse und der möglichen Auswirkungen auf den Heilungsprozess, wobei sich die Krankenstandsdauer laut Krankmeldung nicht verlängert hat – über das erlaubte Maß hinausging und die Auflösungsvereinbarung daher unwirksam (weil unter Druck zustande gekommen) war (OGH 28. 6. 2016, 8 ObA 37/16y).
2. Diskriminierung wegen Religion am Arbeitsplatz
Eine Dienstnehmerin klagte ihren Dienstgeber auf Zahlung einer Entschädigung von 7.000 EUR für die erlittene persönliche Beeinträchtigung wegen Religionsdiskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Konkret machte sie geltend, aufgrund des Tragens eines islamischen Kopftuches (Hijab) und mantelartigen Übergewands (Abaya) bei der Zuweisung von Aufgaben im Parteienverkehr und als Testamentszeugin gegenüber anderen Mitarbeiterinnen zurückgesetzt worden zu sein. Dazu seien gegen Ende des Arbeitsverhältnisses diskriminierende Bemerkungen des Beklagten wie „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“ gefallen. Besonders schwer habe sie aber vor allem die Kündigung des Arbeitsverhältnisses getroffen, die wegen ihrer Ankündigung, in Zukunft mit einem islamischen Gesichtsschleier (Niqab) zu arbeiten, erfolgt sei.
Der Oberste Gerichtshof entschied, dass der Dienstnehmerin eine Entschädigung von 1.200 EUR zugesprochen wurde; das Mehrbegehren von 5.800 EUR wurde abgewiesen.
Die zentralen Aussagen des OGH waren folgende:
- Aufgrund der Religion darf niemand im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere auch nicht bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Diskriminierung liegt nicht vor, wenn das Nichttragen religiöser Bekleidung aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und es sich insoweit um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Der Diskriminierungsschutz wegen Religion umfasst auch das Tragen religiöser Kleidung am Arbeitsplatz. Der Ansatz des beklagten Arbeitgebers, er habe ohnehin nichts gegen eine bestimmte Religion, nur gegen das äußere (religiöse) Erscheinungsbild der klagenden Arbeitnehmerin, ist daher nicht geeignet, die Annahme einer Religionsdiskriminierung schon von vornherein zu verneinen.
- Wird das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber deshalb beendet, weil die Arbeitnehmerin ankündigt, sich der individuellen Weisung, während der Arbeit keinen islamischen Gesichtsschleier zu tragen, zu widersetzen, so ist von einer unmittelbaren Diskriminierung wegen Religion auszugehen, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand des vorliegt. Letzteres wurde hier bejaht, weil es in Österreich zu den unbestrittenen Grundregeln zwischenmenschlicher Kommunikation zählt, das Gesicht unverhüllt zu lassen, und im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass die Verschleierung des Gesichts einer Notariatsangestellten die Kommunikation und Interaktion mit dem Arbeitgeber, den Mitarbeitern, Parteien und Klienten beeinträchtigt. Das von der Klägerin erwogene Auf- und Abnehmen des Gesichtsschleiers bei Klientenkontakt betrifft nur einen Teil der Interaktion und Kommunikation in einem Notariat, stört die Arbeitsabläufe und ist der am Arbeitsplatz gebotenen Konzentration nicht förderlich. Die Nichtverschleierung des Gesichts ist daher als eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung der Klägerin als Notariatsangestellte zu qualifizieren. Die schließlich erfolgte Kündigung zufolge beharrlicher Weigerung der Klägerin, der Weisung des Beklagten zu entsprechen, stellt somit keine Diskriminierung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar.
- Soweit die Klägerin, der vom Beklagten zunächst das Tragen eines islamischen Kopftuchs und mantelartigen Übergewands ohne weitere Einschränkungen gestattet worden war, mit Fortdauer des Arbeitsverhältnisses aufgrund ihrer religiösen Bekleidung bei der Zuweisung von Arbeitsaufgaben gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen zurückgesetzt wurde, liegt kein Ausnahmetatbestand vor. Es handelt sich daher – bestärkt durch abfällige Äußerungen des Beklagten über die religiöse Kleidung der Klägerin – um eine Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen wegen Religion (OGH 25. 5. 2016, 9 ObA 117/15v).
3. Gutgläubiger Verbrauch bei Erfüllung der Nachforschungspflicht durch den Arbeitnehmer
Die beklagte Arbeitnehmerin war viele Jahre als Hausbesorgerin tätig. Anfang 2011 wurde die von ihr betreute Liegenschaft von einer neuen Eigentümerin erworben. Die neue Arbeitgeberin ließ die Abrechnungen des Entgelts von einer Steuerberatungskanzlei vornehmen. Diese rechnete irrtümlich überhöhte Entgeltbeträge zugunsten der Arbeitnehmerin ab. Aus diesem Grund erhielt die Arbeitnehmerin Überzahlungen in Höhe von rund monatlich 830 EUR. Die Arbeitnehmerin wies die Hausverwalterin dreimal daraufhin, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zum früher bezahlten Entgelt erhalte und fragte, ob dies in Ordnung sei. Dabei wurde der Arbeitnehmerin stets zugesichert, dass die Entgeltzahlungen richtig seien.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Arbeitgeberin die Rückzahlung der monatlichen Überzahlungen.
Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, dass – wenn vom Arbeitgeber Entgeltzahlungen irrtümlich angewiesen werden, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren – diese vom Arbeitgeber zurückgefordert werden. Lediglich im Fall redlichen Verbrauchs durch den Arbeitnehmer ist die Rückforderung ausgeschlossen. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Betrags zweifeln musste. Da die Gutgläubigkeit vermutet wird, hat der rückfordernde Arbeitgeber die Unredlichkeit des Arbeitnehmers zu beweisen.
Im vorliegenden Fall musste die Arbeitnehmerin aufgrund der Höhe der Überzahlungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bezüge haben, was sie auch tatsächlich hatte. Die Besonderheit des Anlassfalls liegt darin, dass die Arbeitnehmerin auf ihre Zweifel reagiert und bei der zuständigen Hausverwalterin dreimal nachgefragt hat. Aufgrund der wiederholten Zusicherungen, dass die Entgeltzahlungen in der erfolgten Höhe richtig seien, konnte die beklagte Arbeitnehmerin auf die Richtigkeit der Abrechnung und die höhere Entlohnung im Zusammenhang mit dem Wechsel der Arbeitgeberin vertrauen.
In dieser Situation ist die Arbeitnehmerin als gutgläubig anzusehen und der Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers ausgeschlossen (OGH 27. 4. 2016, 8 ObA 9/16f).