Arbeitsrecht 10/2018

1. Echter oder freier Dienstvertrag

Ein Mitarbeiter sollte als Bildungsberater für ein Unternehmen potenzielle Kunden besuchen und Schulungen und Kurse verkaufen. Die Arbeitszeit und den Arbeitsumfang konnte er selbst bestimmen. Die der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Anzahl der Kundenkontakte war nicht verbindlich. Ein Arbeitsort war grundsätzlich nicht vorgegeben. Ein fixer Bürotag pro Woche war nur für die ersten 4–6 Wochen vorgesehen, danach sollte er in der Lage sein, die Tätigkeit selbstständig zu verrichten. Ihm wurden keine Betriebsmittel zur Verfügung gestellt. Er konnte sich ohne Mitteilung an das Unternehmen vertreten lassen.

Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass unter Zugrundelegung der Abgrenzungskriterien zwischen echtem und freien Dienstvertrag davon ausgegangen werden könne, dass zwischen den Parteien ein freier Dienstvertrag zustande gekommen ist.

Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung vom freien Dienstvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, das heißt die Unterworfenheit des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers.

Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang verschiedene Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit erarbeitet, die aber nicht alle gemeinsam vorliegen müssen und in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen können. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen. Die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale sind vor allem die Weisungsgebundenheit des zur Arbeitsleistung Verpflichteten, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten, die persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge, einschließlich der Kontrollunterworfenheit und die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber.

Davon unterscheidet sich der freie Dienstvertrag besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten, also ohne Bindung an bestimmte Arbeitszeiten und jene Weisungen, die für den echten Arbeitsvertrag prägend sind, und die selbst gewählte Gestaltung jederzeit wieder zu ändern (OGH 28.6.2018, 9 ObA 50/18w).

2. Entlassung einer Pharmareferentin

Eine Pharmareferentin für Humanarzneimittel arbeitete nebenbei auch stundenweise als Tierärztin. Ihr Arbeitgeber sprach daraufhin die Entlassung aus, die die Dienstnehmerin gerichtlich bekämpfte. Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass diese Nebentätigkeit den Arbeitgeber nicht zur Entlassung berechtigte. Zwar stellt es einen Entlassungsgrund dar, wenn ein Angestellter ohne Einwilligung des Dienstgebers im Geschäftszweig des Dienstgebers für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte macht, doch ist der Begriff des „Geschäftszweiges“ eng auszulegen und nur auf die vom Arbeitgeber tatsächlich entfaltete Geschäftstätigkeit zu beziehen. Der Arbeitgeber handelte mit Humanarzneimitteln. Auch eine Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit konnte im vorliegenden Fall mangels konkreter Gefährdung von Arbeitgeberinteressen nicht festgestellt werden (OGH 29.5.2018, 8 ObA 18/18g).

3. Anfechtungsfrist bei Entlassung

Bei Entlassungen hängt die für den Arbeitnehmer geltende Anfechtungsfrist davon ab, ob der Betriebsrat innerhalb der ihm vom Gesetz für eine Stellungnahme eingeräumten Frist der Kündigungsabsicht ausdrücklich widersprochen oder ob er ausdrücklich zugestimmt oder keine Stellungnahme abgegeben hat:

Ein Unternehmen entließ einen Arbeitnehmer am Donnerstag, den 6. 4. 2017. Der Betriebsrat wurde am 5. 4. 2017 von der (beabsichtigten) Entlassung informiert und war beim Ausspruch der Entlassung am 6. 4. 2017 anwesend. Die dreitägige Frist zur Beratung und Stellungnahme für den Betriebsrat beginnt mit der erfolgten Verständigung von der ausgesprochenen Entlassung, wobei der Tag der Verständigung nicht mitzählt. Ausgehend davon hätte diese Frist im vorliegenden Fall am Freitag, den 7. 4. 2017, begonnen und wäre am Dienstag, den 11. 4. 2017, 24.00 Uhr abgelaufen. Da bis dahin aber keine Stellungnahme des Betriebsrates zur Entlassung erfolgte, begann die dem Kläger für die Einbringung der Klage zur Verfügung stehende zweiwöchige Frist am Dienstag, den 11. 4. 2017, 24.00 Uhr und endete am Dienstag, den 25. 4.2017 24.00 Uhr.

Ginge man davon aus, dass Samstage im beklagten Unternehmen Arbeitstage sind, dann wäre die Frist für die Stellungnahme des Betriebsrates am Montag, den 10. 4. 2017, abgelaufen und hätte die daran anschließende zweiwöchige Anfechtungsfrist am Montag, den 24. 4. 2017, geendet. Selbst wenn Samstag und Sonntag Arbeitstage wären (was wenig naheliegend erscheint und wovon daher nicht auszugehen ist), wäre die am 24. 4. 2017 zur Post gegebene Anfechtungsklage rechtzeitig: Diesfalls wäre die dreitägige Stellungnahmefrist am Sonntag, den 9. 4. 2017 abgelaufen; das Ende der daran anschließenden Anfechtungsfrist wäre auf Sonntag, den 23. 4. 2017 gefallen und wäre daher Montag, der 24. 4. 2017, als letzter Tag der Frist anzusehen. Die am 24. 4. 2017 zur Post gegebene Klage war somit rechtzeitig eingebracht (OGH 21. 3. 2018, 9 ObA 27/18p).

 

 

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