Arbeitsrecht 10/2020

1. Unwirksamkeit einer Auflösungsvereinbarung

Eine Dienstnehmerin hatte mit ihrem Dienstgeber eine Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung ihres Dienstverhältnisses abgeschlossen. In ihrer Klage machte sie geltend, dass die Vereinbarung unwirksam gewesen sei und ihr daher noch finanzielle Ansprüche aus der Kündigungsfrist (Kündigungsentschädigung) zustehen.

Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses wirksam war:

Sittenwidrig ist ein Geschäft, wenn es, ohne gegen ein Gesetz zu verstoßen, offenbar rechtswidrig ist, wobei es auf den Gesamteindruck der Vereinbarung ankommt. Im Sinne eines beweglichen Systems sind alle Umstände zu berücksichtigen und durch deren Gewichtung zu prüfen, ob eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen vorliegt.

Großer wirtschaftlicher Druck oder die Existenzgefährdung einer Partei können einen relevanten Umstand bilden, doch ist selbst damit allein eine Sittenwidrigkeit noch nicht begründet. Im vorliegenden Fall stand die Klägerin jedoch bei Abschluss der strittigen Auflösungsvereinbarung unter keinem für diese Situation überdurchschnittlichen Druck. Sie wurde weder dazu gedrängt, sich sofort zu entscheiden, noch die Möglichkeit einer Beratung mit dem Betriebsrat nicht in Anspruch zu nehmen.

Die Klage wurde daher abgewiesen (OGH 29.6.2020, 8ObA 65/20x).

2. Schriftformgebot

Der Oberste Gerichtshof musste sich in einer aktuellen Entscheidung mit dem Schriftformgebot im Arbeitsrecht auseinander setzen.

Im Dienstvertrag des Klägers war zur Dauer des Dienstverhältnisses Folgendes vereinbart:

 „Sie werden ab 2. Mai 2018 bei uns als Head of Content & Strategy tätig sein.  Die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 31. Juli 2018 gilt als befristetes Dienstverhältnis (wobei der erste Monat als Probemonat gilt), welches am 1. August 2018 in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergeht, sofern dies vorher nicht ausdrücklich schriftlich widerrufen wird.“

Der Arbeitgeber informierte den Arbeitnehmer in einem in Anwesenheit einer Mitarbeiterin der Personalabteilung am Freitag, den 27. 7. 2018, um 15:00 Uhr geführten Gespräch, dass „man eine Zusammenarbeit mit ihm als Dienstnehmer der Beklagten über den 31. 7. 2018 nicht wünsche“. Ein bereits vor diesem Gespräch aufgesetztes Auflösungsschreiben, das ua den Passus „Wir teilen Ihnen mit, dass das mit Ihnen geschlossene befristete Dienstverhältnis mit 31. 7. 2018 endet und nicht in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergeht.“ enthielt, konnte nur deshalb nicht sogleich an den Kläger ausgehändigt werden, weil es erst in den Abendstunden vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet wurde. Nach dem Wochenende meldete sich der Kläger sowohl am 30. 7. als auch am 31. 7. 2018 unter Verwendung seiner Firmen-E-Mail-Adresse krank. Nachdem ein Versuch der Beklagten am 30. oder 31. 7. gescheitert war, dem Kläger das Auflösungsschreiben vom 27. 7. 2018 an seiner Wohnadresse durch einen Office-Mitarbeiter persönlich zu übergeben, weil sich der Kläger an einem anderen Ort aufhielt, und er für die Beklagte auch nicht telefonisch erreichbar war, übermittelte ihm die Beklagte am 31. 7. 2018 das eingescannte Auflösungsschreiben per E‑Mail an seine Firmen-E‑Mail‑Adresse. Am Account des Klägers langte dieses E‑Mail unter dem Betreff „Auflösung des Dienstverhältnisses“ noch am Nachmittag desselben Tages ein.

Der Arbeitnehmer klagte auf die Zahlung eines Entgelts für den Zeitraum 1. 8. bis 30. 11. 2018 und blitzte damit ab:

Im konkreten Fall haben die Parteien die Schriftform für eine sogenannte Nichtverlängerungserklärung vereinbart. Diese Erklärung bringt das Festhalten an der Befristung zum Ausdruck und verhindert lediglich die (schlüssige) Überleitung in ein unbefristetes Dienstverhältnis. Erkennbar zielt das Formgebot hier in erster Linie auf die Schaffung von Rechtssicherheit ab. Demgegenüber tritt dessen Bedeutung für eine Überprüfung der Berechtigung der Erklärung in den Hintergrund, zumal eine solche „Auslaufmitteilung“ – anders als eine Kündigung keiner Kündigungsanfechtung unterliegt.

Unter Bedachtnahme darauf, dass der E‑Mail‑Verkehr in geschäftlichen Angelegenheiten nicht nur allgemein, sondern besonders im Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen üblich war und der Anhang eines E-Mails leicht ausgedruckt werden kann, gelangte der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, dass die Übermittlung des eingescannten Auflösungsschreibens als Anhang eines E‑Mails die im Dienstvertrag vereinbarte Schriftform erfüllt hat.

Die Vorgangsweise der Beklagten trägt sowohl der Klarstellungs- als auch der Beweisfunktion des Formgebots Rechnung, zumal der Kläger schon nach dem Gespräch vom 27. 7. 2018 keinen Zweifel über die Nichtfortsetzung des Dienstverhältnisses zur Beklagten – also über den Inhalt der späteren Erklärung – haben konnte. Selbst wenn der Kläger – wie er behauptet – nicht über einen eigenen Drucker verfügen sollte, erwächst ihm kein ersichtlicher Nachteil daraus, von der Beklagten nicht unmittelbar eine „Hardcopy“ erhalten zu haben, weil der Anhang eines E‑Mails problemlos (auch an allfällige Beratungsstellen) weitergeleitet werden kann. Soweit sich der Kläger auf seine Schutzbedürftigkeit beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass er nach den Feststellungen bemüht war, jegliche Kontaktaufnahme durch die Beklagte im „kritischen“ Zeitraum bewusst zu vereiteln.

Elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen gelten als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Eine Kenntnisnahme dieser Erklärungen durch den Empfänger wird nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“.

Nach den Feststellungen war das E‑Mail samt Anhang für den Kläger noch am Nachmittag des 31. 7. 2018 abrufbar. Dass er es krankheitsbedingt nicht hätte abrufen können, behauptet der Kläger gar nicht. Dies stünde auch in Widerspruch zu den Feststellungen, dass er am 31. 7. 2018 seine Firmen-E‑Mail‑Adresse benutzte, um sich krank zu melden und um zwei berufliche Termine abzusagen, womit er seine Erreichbarkeit per E‑Mail zu erkennen gab, bevor er am 1. 8. 2018 wieder in den Büroräumlichkeiten der Beklagten erschien und sich arbeitsbereit meldete (OGH 24.4.2020, 8Ob A 5/20y).

3. Karenzierung oder Beendigung des Dienstverhältnisses

Der Oberste Gerichtshof musste sich in dieser Entscheidung mit der Abgrenzung einer Karenzierung von der Beendigung des Dienstverhältnisses auseinander setzen: Nach der Rechtsprechung ist zwischen Aussetzungsvereinbarungen, die ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen, einerseits und Wiedereinstellungszusagen und -vereinbarungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andererseits wegen der damit verbundenen unterschiedlichen Folgen zu unterscheiden. Bei einer bloßen Karenzierung wird der Arbeitsvertrag rechtlich nicht beendet; es werden nur die Hauptpflichten, die Arbeitspflicht und die Entgeltpflicht, zum Ruhen gebracht. Eine echte Karenzierung ist daher mit einer Wiedereinstellungszusage oder einer -vereinbarung nicht in Einklang zu bringen, weil jede „Wiedereinstellung“ zwangsläufig eine vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt.

Ob die Parteien eine Unterbrechung oder eine – keine Beendigung oder Unterbrechung darstellende – Karenzierung des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, ist aus dem unter Erforschung der wahren Parteienabsicht zu ermittelnden Inhalt der zwischen den Arbeitsvertragsparteien abgeschlossenen Vereinbarung zu beurteilen. Hierbei ist nicht so sehr auf die Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen.

Ein als Schlosser beschäftigter Mitarbeiter vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin Ende Jänner 2019, dass das Arbeitsverhältnis ab 1. 2. 2019 für die Dauer von vier Wochen „unterbrochen“ werden sollte. Die Initiative ging dabei allein von ihm aus, weil er „private Dinge“ zu erledigen habe. Da der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger, einem verdienstvollen, langjährigen Mitarbeiter, entgegenkommen wollte, war er mit dieser Vereinbarung trotz sehr guter Auftragslage einverstanden, Voraussetzung war aber die Limitierung mit vier Wochen. Eine Notwendigkeit zu einem arbeitsbedingten Mitarbeiterabbau bestand nicht. Vereinbart war, dass der Kläger nach vier Wochen seine Arbeit wiederaufzunehmen hat. Von ihm wurden weder das Diensthandy, noch die Schlüssel oder die Arbeitskleidung zurückverlangt. Die Baustellenausweise blieben aktiv, das Handy angemeldet. Auch erstellte die Beklagte keine Endabrechnung.

Davon ausgehend gelangte der Oberste Gerichthof zu der Auffassung, dass die Parteien ihre vertragliche Bindung nicht abbrechen, sondern lediglich auf eine bestimmte, von vornherein festgelegte Zeit suspendieren wollten. Der Umstand, dass der Kläger Arbeitslosengeld bezogen habe, vermöge daran, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände von einer Karenzierung auszugehen sei, nichts Wesentliches zu ändern. Daher hatte der Kläger mit seiner schließlich Mitte Februar 2019 gegenüber der Beklagten abgegebenen Erklärung, nicht mehr arbeiten zu kommen, weil er eine andere Arbeitsstelle gefunden habe, seinen Abfertigungsanspruch aufgrund Eigenkündigung verloren (OGH 27.5.2020, 8 ObA41/20t).

 

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