1. Entlassung eines Arbeiters wegen Beleidigung eines Kunden
Im konkreten Fall äußerte sich ein Mitarbeiter gegenüber einem Mitarbeiter eines Kunden seines Arbeitgebers abfällig, begleitet von einer obszönen Geste. Der Oberste Gerichtshof musste klären, ob die daraufhin vom Arbeitgeber ausgesprochene Entlassung gerechtfertigt war, und verneinte dies aus folgenden Gründen:
Es stellt bei Arbeitern einen Entlassungsgrund dar, wenn der Arbeitnehmer sich einer groben Ehrenbeleidigung, Körperverletzung oder gefährlichen Drohung gegen den Gewerbeinhaber oder dessen Hausgenossen, oder gegen die übrigen Hilfsarbeiter schuldig macht. Bereits nach dem Wortlaut ist dieser Entlassungstatbestand auf Beleidigungen gegenüber einem bestimmten Personenkreis beschränkt.
Eine nicht beim selben Arbeitgeber beschäftigte Person, etwa ein Lieferant oder sonstiger Geschäftspartner, kann nicht den „übrigen Hilfsarbeitern“ gleichgehalten werden.
Zweck der Bestimmung ist vor allem die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Betrieb. Aus dieser Sicht komme einem Fehlverhalten gegenüber einem Geschäftspartner des Arbeitgebers – auch wenn dieser in regelmäßigen Abständen in den Betrieb komme – in Bezug auf den Normzweck nicht die gleiche Bedeutung zu wie einem Angriff auf einen Arbeitskollegen. Darüber hinaus treffen den Arbeitgeber gegenüber seinen von ihm persönlich und wirtschaftlich abhängigen Arbeitskollegen der Arbeitnehmer regelmäßig weitergehende Fürsorge- und Schutzpflichten als gegenüber Personen, mit denen andere Vertragsbeziehungen, wie etwa Werk-, Kauf- oder Bestandverträge, bestehen.
Darauf, ob das Verhalten des Klägers aufgrund der Situation entschuldbar war, kommt es daher insoweit nicht an (OGH 27.6.2019, 8 ObA 22/19x).
2. Insolvenzausfallgeld bei Altersteilzeit
Der Kläger und die spätere Schuldnerin schlossen eine Altersteilzeitvereinbarung, mit der sie die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 auf 20 Stunden herabsetzten. Weiters wurde vereinbart, dass die Kündigungsentschädigung auf Basis der Arbeitszeit vor der Herabsetzung zu berechnen ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch unberechtigte Entlassung oder durch vorzeitigen berechtigten Austritt beendet wird, und dass die Vereinbarung durch den Entfall des Anspruchs auf Altersteilzeitgeld nicht berührt wird.
In der Folge trat der Kläger berechtigt vorzeitig aus, weil über das Vermögen der Arbeitgeberin ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und meldete die Kündigungsentschädigung im Insolvenzverfahren als Forderung an, was der Insolvenzausfall-Fonds bestritt.
Der Oberste Gerichtshof kam zu folgendem Ergebnis:
Es gebührt kein Insolvenz-Entgelt für Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wurde, soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist.
Die vom Kläger geltend gemachte Kündigungsentschädigung ist schon deshalb kein nach dieser Gesetzesstelle ausgeschlossener Anspruch, weil die zugrundeliegende Vereinbarung rund elf Monate vor der Insolvenzeröffnung und damit außerhalb des verpönten Zeitraums geschlossen wurde.
Das Gesetz sieht weiters vor, dass der Berechnung des Insolvenz-Entgelts für gesicherte Ansprüche nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen sind.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Zweck dieser Bestimmung in der Begrenzung der gesicherten Ansprüche liegt. Demnach ist das Ausmaß der gesicherten Ansprüche für die Zeit bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und Kündigungstermine beschränkt. Eine einzelvertraglich vereinbarte Verlängerung der Kündigungsfrist kann keine anspruchserhöhende Wirkung haben.
Demgegenüber nimmt diese Bestimmung aber nicht generell jede die Arbeitnehmerseite begünstigende Vereinbarung über die Höhe der Kündigungsentschädigung, konkret über die heranzuziehende Bemessungsgrundlage bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, von der Sicherung aus.
Eine sittenwidrige Inanspruchnahme der Beklagten war für den OGH nicht ersichtlich, insbesondere weil mit der Vertragsauflösung auch die Altersteilzeitvereinbarung ihre Wirkung verlor und damit weitergehende Nachteile für den Kläger verbunden waren, so vor allem der Verlust des Privilegs der Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge auf Basis der Arbeitszeit vor der Herabsetzung (OGH 27.6.2019, 8 ObS 7/19s)..