Arbeitsrecht 1/2018

1. Kündigung wegen Rationalisierung

Ein Dienstnehmer wurde zwecks Restrukturierung des mit Verlust wirtschaftenden Unternehmens gekündigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung war der Dienstnehmer 47 Jahre alt. Die Kündigung beeinträchtigte nach Ansicht des Gerichts wesentlich die Interessen des Dienstnehmers. Die EDV‑Administrationstätigkeit des Dienstnehmers und eines weiteren Mitarbeiters, der selbst gekündigt hatte, wurden an ein Drittunternehmen ausgelagert, womit die laufenden Kosten verringert werden konnten. Rund eineinhalb Monate nach Ende des Dienstverhältnisses wurde über das Unternehmen des Dienstgebers das Sanierungsverfahren eröffnet. Danach mussten Teilbetriebe geschlossen und Filialen verkauft werden. Der Dienstnehmer konnte im Unternehmen nicht mehr beschäftigt werden.

Steht fest, dass durch die Kündigung wesentliche Interessen des gekündigten Arbeitnehmers beeinträchtigt sind und andererseits betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, sind diese Voraussetzungen in eine Wechselbeziehung zu setzen und eine Abwägung dieser sich gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen, um den Zweck des gesetzlichen Kündigungsschutzes erfüllen zu können.

Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall die Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und jenen des Arbeitgebers zugunsten des Letzteren ausschlägt.

Die Zweckmäßigkeit von Rationalisierungsmaßnahmen des Arbeitgebers kann vom Gericht nicht überprüft werden, sondern lediglich ob die Kündigung geeignet ist, die Wettbewerbschancen des Unternehmens zu verbessern. Auch wurde der Arbeitsplatz des Kollegen des Dienstnehmers nicht nachbesetzt, sondern fiel weg, sodass er dem Kläger nicht angeboten werden musste. Die Ersparnis der Dienstgeberin bestand, nicht nur in der Differenz zwischen den Lohnkosten des Klägers und dem Werklohn des Drittunternehmens, sondern auch im gänzlichen Wegfall der Lohnkosten seines Kollegen.

In diesem Zusammenhang ist es auch irrelevant, ob die Dienstgeberin ursprünglich beabsichtigt hatte, den Kollegen des Klägers weiter zu beschäftigen, statt den EDV‑Administrationsbereich auszulagern, weil auch dieser Kollege nur mit 25 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt war. Wird durch Auslagerung von Dienstleistungsaufgaben an ein externes Unternehmen eine wesentliche Kosteneinsparung bewirkt, dann kann darin ein rationalisierungsbedingter Kündigungsgrund liegen (28.09.2017, 8ObA45/17a).

2. Elternteilzeit

Die Klägerin war ab 5. 3. 2012 bei einem Unternehmen tätig, über das später ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte am 31. 1. 2015.

Nach Geburt eines Sohnes am 11. 12. 2012 befand sich die Klägerin bis einschließlich 10. 8. 2014 in Karenzurlaub. Nachdem sie am 11. 8. 2014 vom Dienstgeber nicht zur Arbeit zugelassen worden war, meldete sie mit Schreiben ihrer Vertretung vom 20. 8. 2014 Elternteilzeit vom 11. 12. 2014 bis 10. 12. 2016 im Ausmaß von 20 Wochenstunden an. In der Folge einigte sich die Klägerin mit dem Arbeitgeber über eine Wiederaufnahme der Arbeit am 12. 9. 2014, die Frage der Elternteilzeit blieb dabei offen.

Am 11. 9. 2014 wurde das Arbeitsverhältnis vom Diensteber zum 25. 9. 2014 aufgekündigt. Die Klägerin erschien am 12. 9. 2014 zur Arbeit. Es kam zu keiner Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über die Elternteilzeit, eine Klage auf deren Gewährung wurde nicht erhoben.

Am 4. 11. 2014 brachte die Klägerin eine Mahnklage ein, mit der sie neben ausständigen Entgelten auch „Schadenersatz gemäß MSchG“ (Kündigungsentschädigung) begehrte. Der antragsgemäß erlassene Zahlungsbefehl erwuchs unbeeinsprucht in Rechtskraft.

Im Unternehmen des Arbeitgebers waren weniger als 20 Dienstnehmer beschäftigt, es bestand keine Betriebsvereinbarung.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte die Klägerin die Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt.

Der Insolvenzausfallsfonds lehnte die Gewährung von Insolvenz-Entgelt für die begehrte Kündigungsentschädigung zur Gänze, für die Urlaubsersatzleistung einen Teilbetrag ab. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elternteilzeit nicht erfüllt.

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung des abgelehnten Insolvenz-Entgelts. Sie habe Kündigungs- und Entlassungsschutz genossen, nach der Kündigung des Arbeitgebers aber von ihrem Wahlrecht auf Geltendmachung von Schadenersatz Gebrauch gemacht. Der Kündigungsschutz dauere bei fehlender Einigung hypothetisch bis vier Wochen nach Beendigung des Gerichtsverfahrens auf Einwilligung des Dienstgebers in die Teilzeitbeschäftigung, er umfasse jedenfalls den geltend gemachten Zeitraum.

Die Beklagte wandte ein, die Klägerin habe trotz fehlender Einigung mit dem Arbeitgeber kein Verfahren auf Einwilligung in die Elternteilzeit angestrengt, sondern die Kündigung gegen sich gelten lassen. Sie könne danach keinen besonderen Kündigungsschutz mehr in Anspruch nehmen.

Der Oberste Gerichtshof sprach folgendes aus:

Der Kündigungs- und Entlassungsschutz beginnt bei Elternteilzeit grundsätzlich mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung. Er dauert bis vier Wochen nach dem Ende der Teilzeitbeschäftigung, längstens jedoch bis vier Wochen nach dem Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes.

Die Bestimmungen über den Kündigungs- und Entlassungsschutz gelten auch während eines Verfahrens über die Elternteilzeit.

Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, weil der Betrieb weniger als 20 Dienstnehmer beschäftigte und keine Betriebsvereinbarung bestand.

Bei (möglicher) vereinbarter Teilzeitbeschäftigung ist das Verfahren wie folgt geregelt. Kommt binnen zwei Wochen ab Bekanntgabe (des Wunsches) der Elternteilzeit keine Einigung zustande, so kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf Einwilligung in eine Teilzeitbeschäftigung einschließlich deren Beginn, Dauer, Lage und Ausmaß klagen Während eines solchen Verfahrens gilt der Bestandschutz.

Das „Verfahren“ umfasst das innerbetriebliche Durchsetzungsverfahren ebenso wie das gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Teilzeitbeschäftigung. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz ist (unter Berücksichtigung des frühestmöglichen Beginns) für den gesamten Zeitraum ab Meldung der Teilzeitbeschäftigung gegeben und während des außergerichtlichen und des gerichtlichen Verfahrens aufrecht. Das Ende des verfahrensbedingten Kündigungsschutzes kann daher spätestens vier Wochen nach dem Ergehen eines Urteils liegen, aber auch schon vorher eintreten, insbesondere wenn bei Nichteinigung über die Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung keine Klage eingebracht wird. Tritt ein Kündigungs- und Entlassungsschutz nicht aufgrund anderer Bestimmungen ein, so läuft der Kündigungs- und Entlassungsschutz vier Wochen (Nachfrist) nach dem Ende des Verfahrens ab.

Da die Klägerin kein gerichtliches Verfahren zur Durchsetzung ihres Teilzeitwunsches eingeleitet hat, endete ihr Bestandschutz vier Wochen nach Beendigung des außergerichtlichen Verfahrens.

Die Beendigung der außergerichtlichen Verhandlungen ist mit jenem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem die Arbeitnehmerin nach dem objektiven Horizont eines redlichen und verständigen Verhandlungspartners nicht mehr mit der Annahme ihres Angebots oder zumindest mit einer Gegenofferte des Dienstgebers rechnen darf. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, die das Dienstverhältnis noch vor dem gewünschten Antritt der Teilzeit beenden soll.

Die Beendigung des Kündigungsschutzes nach vier Wochen ab Scheitern des außergerichtlichen Verfahrens ist Konsequenz des Entschlusses der Klägerin, die Kündigung freiwillig gegen sich wirken zu lassen und keine Klage auf Einwilligung in die gewünschte Teilzeitbeschäftigung einzubringen, wodurch andernfalls der Ablauf der Schutzfrist unterbrochen worden wäre.

Ein Anspruch auf die gewünschte Teilzeitbeschäftigung stand der Klägerin daher zum Zeitpunkt der Kündigung nicht zu. Dieser Anspruch wäre nur im Fall einer stattgebenden Gerichtsentscheidung in einem von ihr einzuleitenden Verfahren entstanden.

Davon ausgehend sei die Klägerin während des Bestandschutzes gekündigt worden. Danach habe sie keine Absicht mehr gehabt, das Dienstverhältnis fortzusetzen, weshalb der Erhalt des Kündigungsschreibens mit dem Ende des außergerichtlichen Verfahrens über die Teilzeitbeschäftigung gleichzusetzen sei. Der Bestandschutz habe vier Wochen danach, am 9. 10. 2014, geendet, sodass eine Kündigung am 10. 10. 2014 unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Frist von 14 Tagen zum 24. 10. 2014 möglich war und die Klägerin hatte die geltend gemachten Ansprüche nicht (OGH 28.9.2017, 8 Ob S 7/17p).

 

 

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