Arbeitsrecht 1/2022

 

1. Corona-Kurzarbeit und Kündigung

Ein Unternehmen schloss ab 23. 3. 2020 während des ersten COVID-19-Lockdowns mit 15 Mitarbeitern – nicht aber dem Kläger – eine „Sozialpartnervereinbarung – Einzelvereinbarung“ über Corona-Kurzarbeit. Am 15. 4. 2020 wurde per Videokonferenz die Ausdehnung der Kurzarbeit auf alle Mitarbeiter angekündigt. Am Nachmittag des 23. 4. 2020 wurde ein Entwurf dazu sowie eine Gleitzeitvereinbarung für die Kurzarbeitsphase mit der Bitte in den Firmenchannel gestellt, sie bis Montag, den 27. 4. 2020 zu retournieren. Der Kläger stellte im für alle Mitarbeiter sichtbaren Chatportal Fragen und kündigte an, Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Mit Schreiben vom 27. 4. 2020 wurde der Kläger zum 31. 7. 2020 gekündigt und für die Dauer der Kündigungsfrist dienstfrei gestellt. Die Arbeitgeberin hatte sich zur Kündigung des Klägers entschlossen, weil seine Gesprächsbasis mit den Geschäftsführern schwer erschüttert war. Der Kläger hatte in den vorangegangenen Videokonferenzen „Sonderfragen“ ua zur Möglichkeit der Lockerung des Nebenbeschäftigungsverbots zwecks Leistung selbstständiger Programmiertätigkeiten während der Kurzarbeit und Wünsche bezüglich individueller Urlaubsplanungen gestellt. Die Fragen waren so formuliert, dass die Vorgangsweise der Arbeitgeberin dabei in Frage gestellt wurde. Die Geschäftsführer haben die Äußerungen des Klägers als Vorwurf, Bloßstellung und Quertreiben gegen deren Maßnahmen aufgefasst.

Der aufgrund der Kündigung des Klägers ab August 2020 reduzierte Beschäftigtenstand wurde durch Neuaufnahmen wieder aufgefüllt.

Der Kläger macht die Zahlung einer Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung bis 31. 10. 2020 geltend. Die Arbeitgeberin sei aufgrund der für die gesamte Belegschaft geltenden dreimonatigen Kurzarbeitsvereinbarung nicht berechtigt gewesen, das Dienstverhältnis vor dem Ende der Behaltefrist aufzulösen.

Der Oberste Gerichtshof hat diese Kündigung aus folgenden Gründen als wirksam qualifiziert:

Die Kündigung des Klägers widersprach den Bedingungen der Corona-Kurzarbeitsvereinbarung nicht.

Die erschütterte Gesprächsbasis mit dem Kläger und dessen geringe Bereitschaft, in der Krise auf die Unternehmensinteressen Rücksicht zu nehmen, wurde als ein in seiner Person gelegener Kündigungsgrund angesehen.

Wesentlicher Zweck der auf der Sozialpartnervereinbarung gegründeten Corona-Kurzarbeitsvereinbarungen ist es, die Voraussetzung für die Erlangung von Kurzarbeitsbeihilfen  zu schaffen. Mit der Voraussetzung des Vorliegens einer Sozialpartnervereinbarung will der Gesetzgeber die Fachexpertise der Sozialpartner bei den im Gesetz genannten Bereichen – „Entschädigung“, „nähere Bedingungen“, „Beschäftigungsstand“ – nutzen. Alle „Vereinbarungen“ sind daher im Lichte der Erfordernisse des Gesetzes zu lesen, wonach zumindest hinsichtlich des von der Kurzarbeit erfassten „Beschäftigtenstandes“ sichergestellt sein muss, dass während der Kurzarbeit und in einem allenfalls darüber hinaus zusätzlich vereinbarten Zeitraum nach deren Beendigung der Beschäftigtenstand aufrechterhalten wird, es sei denn, dass die regionale Organisation des Arbeitsmarktservices in besonderen Fällen eine Ausnahme bewilligt. Das Gesetz stellt explizit auf die Zahl der insgesamt Beschäftigten ab, ohne einen individuellen Kündigungsschutz zu statuieren.

Dem entsprechend definiert die Sozialpartnervereinbarung die Behaltepflicht als Verpflichtung, den „Beschäftigtenstand“ im Betrieb aufrechtzuerhalten, der zum Zeitpunkt des Geltungsbeginns der Kurzarbeitsvereinbarung bestanden hat.

Diese Definition der Behaltepflicht entspricht dem Zweck der Kurzarbeitsbeihilfe, die pandemiebedingten finanziellen Einbußen auf Arbeitgeberseite in einem ersten Schritt durch die Verringerung der Kosten auszugleichen und in diesem „Wirtschaftszweig“ Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Nehmen Arbeitgeber Kurzarbeit und somit eine Kostenverringerung in Anspruch ist dies im Rahmen der Beurteilung, inwieweit Kündigungen aus betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt werden können, zu berücksichtigen. Der „Preis“ der Förderung liegt in der Aufrechterhaltung des „Beschäftigungsstandes“. Hinter diesem System stehen somit durch finanzielle Anreize verfolgte arbeitsmarktpolitische Aspekte.

Auch die hier herangezogenen Vereinbarungen müssen nicht in einem Sinn ausgelegt werden, dass damit neben dem allgemeinen Beendigungsschutz mit seinen austarierten Abwägungen und Grenzen ein weiterer individueller Kündigungsschutz vereinbart worden wäre. Dafür spricht neben den gesetzlichen Grundlagen etwa auch, dass selbst bei unberechtigten Entlassungen offenbar nur eine bloße Auffüllpflicht vereinbart wurde. Es braucht daher auch gar nicht darauf eingegangen werden, inwieweit ein darüber hinausgehender Beendigungsschutz mit den Zielen der Förderung vereinbar wäre, weil in derartigen Krisen doch häufig ein Bedarf nach rascher Umstrukturierung bestehen kann, der zwar zu keiner Reduktion der Gesamtzahl der Arbeitnehmer führen muss, aber doch zu einer Verschiebung.

Zusammenfassend hält der OGH fest, dass sich aus den gesetzlichen Bestimmungen zur Kurzarbeit und den hier maßgeblichen Regelungen der Kurzarbeitsvereinbarungen keine Unwirksamkeit einer während der Kurzarbeit oder der anschließenden Behaltefrist ausgesprochenen Kündigung ergibt (OGH 22. 10. 2021, 8 ObA 48/21y).

2. Information des Betriebsrates von Kündigungen

Der Betriebsinhaber muss vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers den Betriebsrat verständigen, der dann innerhalb einer Woche hierzu Stellung nehmen kann. Zwischen der erforderlichen Verständigung des Betriebsrats durch den Betriebsinhaber einerseits und der Kündigungserklärung andererseits muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen. Ein solcher Zusammenhang wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn es sich um einen einzigen Kündigungsfall handelt und wenn die Kündigung zum ehest zulässigen Termin oder innerhalb einer Frist von wenigen Wochen ausgesprochen wird.

Im vorliegenden Fall erteilte der Betriebsratsvorsitzende am 17. 6. 2019 die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin. Am 27. 6. 2019 sprach die Geschäftsleitung die Kündigung der Klägerin per 15. 8. 2019 aus. Die Klägerin erklärte jedoch, am 24. 6. 2019 einen Spontan-Abortus erlitten zu haben und legte in der Folge ein ärztliches Attest vor. Daraufhin teilte die Geschäftsleitung am 28. 6. 2019 dem Betriebsratsvorsitzenden mit, dass die Kündigung (aufgrund des Kündigungsschutzes aufgrund der Schwangerschaft der Klägerin, der bis zum Ablauf von 4 Wochen nach der erfolgten Fehlgeburt andauert) nicht wirksam geworden sei und eine neuerliche Kündigung nach Ablauf der Schutzfrist ausgesprochen werde. Gegenüber der Klägerin gab die Geschäftsleitung schriftlich die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung bekannt und ließ sich dies am 3. 7. 2019 von ihr bestätigen. Mit Schreiben vom 24. 7. 2019 sprach die Geschäftsleitung gegenüber der Klägerin neuerlich die Kündigung per 15. 9. 2019 aus. Zu dieser holte sie keine neue Stellungnahme vom Betriebsrat ein.

Fraglich war, ob das Unternehmen den Betriebsrat von der zweiten Kündigung nochmals hätte verständigen müssen. Der Oberste Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass dies nicht erforderlich war:

Die Klägerin machte geltend, dass durch die zwischen dem Arbeitgeber und ihr geschlossene Aufhebungsvereinbarung über die erste Kündigung auch die Zustimmung des Betriebsrats ihre Wirksamkeit verloren habe. Ungeachtet dessen, dass eine unwirksame Kündigung, bietet der Sachverhalt für die Annahme einer solchen „Vereinbarung“ über eine einvernehmliche „Rücknahme der Kündigung“ mit der von der Klägerin favorisierten Reichweite keine Anhaltspunkte, hatte der Arbeitgeber doch nur – von der Klägerin bestätigt – mitgeteilt, dass die Kündigung unwirksam war. Von etwas anderem konnte auch der Betriebsratsvorsitzende nicht ausgehen. Eine Durchbrechung des sachlichen oder zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Verständigung des Betriebsrats und der nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist neuerlich ausgesprochenen Kündigung ist hier daraus nicht abzuleiten (OGH 2.9.2021, 9ObA 86/21v).

3. Entfall der Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem vorzeitigen Austritt ist unionsrechtswidrig

Nach dem österreichischen Urlaubsgesetz gebührt einem Arbeitnehmer keine Urlaubsersatzleistung für den noch offenen Urlaubsanspruch, wenn er ohne wichtigen Grund vorzeitig aus dem Dienstverhältnis austritt. Diese Bestimmung ist allerdings unionrechtswidrig, weil es ein Grundrecht auf einen bezahlten Jahresurlaub gibt. Dieses beinhaltet auch den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchen konnte. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im Hinblick auf den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung nicht maßgeblich. Somit steht Arbeitnehmern auch im Falle eines vorzeitigen Austritts ohne wichtigen Grund eine Urlaubsersatzleistung für den offenen Resturlaub zu (EuGH 25.11.2021, C-233/20, job-medium).

 

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