Arbeitsrecht 2/2022

1. Unwirksame Gleitzeitvereinbarung 

Ein Arbeitgeber hatte mit seinen Mitarbeitern eine Gleitzeitvereinbarung abgeschlossen, der aber ein wesentliches Merkmal fehlte, nämlich der Durchrechnungszeitraum (Gleitzeitperiode). Die Mitarbeiterin machte nach Beendigung des Dienstverhältnisses Überstunden geltend, und zwar auf Basis einer Berechnung ohne Gleitzeit. Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebenis, dass die Gleitzeitvereinbarung unwirksam war (weil ein erforderlicher Mindestinhalt fehlte), weswegen die herkömmlichen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zur Normalarbeitszeit zur Anwendung gelangten. Überschreitungen der Normalarbeitszeitgrenzen sind damit wieder als zuschlagspflichtige Überstunden zu behandeln.

Dem Arbeitnehmer kommt nach den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes ein Wahlrecht zu, ob er Überstunden in Entgelt oder in Zeitausgleich abgegolten haben möchte. Trifft der Arbeitnehmer keine Auswahl, bleibt das Zeitguthaben als solches grundsätzlich unverändert bestehen, bis feststeht, dass der Naturalausgleich nicht mehr möglich ist, im Regelfall also bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Wenn aber die Überstunden im Verhältnis 1:1 als Zeitausgleich abgebaut wurden, hat der Arbeitnehmer sein Wahlrecht damit ausgeübt und ist mit der Konsumation des der Grundstunde entsprechenden Zeitguthabens der Anspruch auf Zahlung des dazugehörigen Überstundenzuschlags entstanden. Dieser unterliegt den kollektivvertraglichen Verfallsfristen für die Überstundenvergütung (im konkreten Fall waren die Zuschläge daher bereits verfallen; OGH 23.2.2021, 8 ObS 9/20m).

2. Entgeltfortzahlung

Ein Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf das Entgelt im Falle einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Unglücksfall nur dann, wenn er die Dienstverhinderung nicht vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet hat. Im vorliegenden Fall kam der Kläger am Abend mit seinem Fahrrad zu Sturz, weil seine am Fahrradlenker abgelegte Jacke abrutschte und das Vorderrad blockierte. Die Jacke war dem Kläger bereits am Vormittag einmal abgerutscht, wodurch damals das Vorderrad „aushakelte“, der Kläger aber nicht stürzte, sondern nach Befestigung des Rades weiterfahren konnte.

Der Oberste Gerichtshof entschied, dass angesichts des Geschehens vom Vormittag dem Kläger am Unfall eine seinen Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließende grobe Fahrlässigkeit zur Last fiel. Das Mitführen der Jacke am Lenker ist zwar nicht ausdrücklich verboten. Als Ladung muss die Jacke aber so transportiert werden, dass der sichere Betrieb des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wird. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist. Da dem Kläger aufgrund des Vorfalls vom Vormittag die Gefahr eines Abrutschens der Jacke und dessen mögliche Folgen bewusst sein mussten, war sein neuerliches ungesichertes Mitführen der Jacke am Fahrradlenker grob fahrlässig (OGH 14.9.2021, 8 ObA 49/21w).

3. Ausbildungskostenrückersatz

Das Dienstverhältnis des von seiner Arbeitgeberin geklagten Arbeitnehmers endete durch Kündigung des Arbeitnehmers. Im Beschäftigungszeitraum nahm er an verschiedenen Ausbildungskursen teil, deren Kosten die Arbeitgeberin zahlte. Die schriftlichen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen schlossen die Parteien erst nach Absolvierung der jeweiligen Ausbildung ab. Vor Absolvierung der Schulungen war der Arbeitnehmer weder über die konkrete Höhe der jeweils damit verbundenen Kurskosten und sonstigen zurückzuerstattenden Kosten noch über die Modalitäten und Voraussetzungen eines etwaigen Rückersatzes oder dessen Höhe informiert worden. Der Arbeitgeber klagte auf Ausbildungskostenrückersatz und scheiterte:

Soll der Arbeitnehmer zum Rückersatz von Ausbildungskosten (und des während einer Ausbildung fortgezahlten Entgelts) verpflichtet werden, muss nach ständiger Rechtsprechung darüber noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht. Der OGH begründet diese Rechtsprechung mit dem Zweck der Gesetzesbestimmung, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde. Nur so kann eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden werden

Dem Gesetzeszweck entsprechend sichert  nur eine vor der Ausbildung abgeschlossene Vereinbarung dem Arbeitnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung, sich auf eine Ausbildung einzulassen, die unter bestimmten Umständen zu einem Ausbildungskostenrückersatz führen kann. Der Arbeitnehmer soll sich nicht erst nach absolvierter Ausbildung im aufrechten Arbeitsverhältnis mit der vom Arbeitgeber zur Unterschrift vorgelegten Vereinbarung über die Rückforderbarkeit der bereits vom Arbeitgeber getragenen Kosten und erfolgten Gehaltsfortzahlung konfrontiert sehen. Er kann dadurch unter Umständen in eine Drucksituation gelangen, die seinem schützenswerten Interesse, sich frei und sachlich über die Teilnahme an einer Ausbildung entscheiden zu können, entgegensteht (OGH 2.9.2021, 9 ObA 85/21x).

 

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