Arbeitsrecht 4/2016

1. Sittenwidrigkeit einer einvernehmlichen Auflösung
Ein Dienstnehmer erfuhr völlig überraschend von der bevorstehenden Beendigung seines Dienstverhältnisses und unterzeichnete noch am selben Tag eine Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung, wobei der Endtermin des Dienstverhältnisses ganze 4 Monate nach Ablauf der regulären Dienstgeberkündigungsfrist lag. In diesem Fall liegt – so das Oberlandesgericht Linz – keine auffallende Äquivalenzstörung und daher keine Sittenwidrigkeit der einvernehmlichen Auflösung vor, wenn der Arbeitnehmer selbst im Falle der nicht sofortigen Unterzeichnung des Angebots später noch immer die Möglichkeit gehabt hätte, einer einvernehmlichen Auflösung (nur) 2 Monate nach Ablauf der regulären Dienstgeberkündigungsfrist zuzustimmen, was noch immer eine Besserstellung um ganze zwei Beschäftigungsmonate im Vergleich zur gesetzlichen Kündigungsfrist bedeutet (OLG Linz 25. 11. 2015, 12 Ra 88/15w, entnommen aus ARD 6488/9/2016).

2. Vereinbarte Auflösung des DV nach Ende der Bildungskarenz
Der gleichzeitige Abschluss einer Vereinbarung über Bildungskarenz und über die Beendigung des Dienstverhältnisses nach der Bildungskarenz mit entsprechender Vordatierung – also ohne Offenlegung des Vereinbarungsabschlusses schon vor Beginn der Bildungskarenz – ist rechtlich zulässig. Es gibt keine arbeitsrechtlichen Normen, die den gegenteiligen Rechtsstandpunkt stützen könnten. Auch der Gesetzeszweck der Bildungskarenz spricht nicht für die Richtigkeit der Gegenmeinung. Zusammengefasst ist somit davon auszugehen, dass bei Vereinbarung einer Bildungskarenz die Auflösung des Dienstverhältnisses nach deren Ende vereinbart werden kann (OLG Wien 26. 11. 2015, 9 Ra 82/15t, entnommen aus ARD 6488/8/2016).

3. Fachbereichsleiter: Leitender Angestellter nach ArbVG?
Ein Fachbereichsleiter mit etwa 30 unterstellten Mitarbeitern bereitete Personalentscheidungen in seinem Bereich eigenständig vor. Jede Personaleinstellung bzw Beendigung eines Dienstverhältnisses musste aber von der Geschäftsleitung abgesegnet werden. Damit fehlte dem Bereichsleiter eine abschließende Beschlusskompetenz und Personalverantwortung für seine Mitarbeiter. Der Bereichsleiter ist daher selbst dann nicht als leitender Angestellter anzusehen, wenn seinen Personalvorhaben von der Geschäftsleitung in aller Regel zugestimmt wurde (OGH 24. 6. 2015, 9 ObA 77/15m, entnommen aus ARD 6488/7/2016).

4. Monatelange Überweisung des dreifachen Lohns – Rückforderung
Einer Dienstnehmerin (hier: einer Hausbesorgerin) wurde über einen Zeitraum von insgesamt 15 Monaten irrtümlich das rund Dreifache des ihr zustehenden Lohns ausbezahlt. Das Oberlandesgericht Wien entschied, dass sie selbst dann zur Rückzahlung des Übergenusses verpflichtet ist, wenn sie mehrmals beim Arbeitgeber nachgefragt hat, ob das Entgelt in dieser Höhe richtig sei und ihr dies jedesmal bestätigt wurde. Trotz dieser Auskünfte des Arbeitgebers konnte sie nicht davon ausgehen, dass ihr plötzlich das Dreifache der Entlohnung zusteht; eine Gutgläubigkeit scheitert an der objektiven Verdächtigkeit des zugeflossenen dreifachen Entgelts für 15 Monate (OLG Wien 22. 12. 2015, 8 Ra 77/15z, entnommen aus ARD 6489/10/2016).

5. Konkurrenzklausel: Mäßigung einer Konventionalstrafe auf Null
Die Mäßigung der vereinbarten Konventionalstrafe auf Null ist dann gerechtfertigt, wenn eine in der Kundenakquisition tätige Arbeitnehmerin, deren Motiv für den Arbeitgeberwechsel schlicht in der Verbesserung ihres Einkommens lag, zwar gegen die mit dem ehemaligen Arbeitgeber vereinbarte Konkurrenzklausel verstoßen hat, sie aber einerseits keine Kunden abgeworben hat und dem Arbeitgeber durch den Wechsel der Arbeitnehmerin auch kein Schaden entstanden ist, und andererseits der Aufgabenbereich beim neuen Arbeitgeber zu 80 bis 90 % aus Kundenakquisition in anderen Branchen als beim ehemaligen Arbeitgeber besteht (OLG Wien 24. 9. 2015, 9 Ra 25/15k, entnommen aus ARD 6491/9/2016).

6. Konkurrenzklausel: Erhebliche Mäßigung der Konventionalstrafe bei fehlendem Schaden
Auch wenn „grundsätzlich“ die Gefahr besteht, dass Kunden bei Zufriedenheit mit ihrem persönlichen Kundenbetreuer mit diesem zu dessen neuem Arbeitgeber wechseln, ist die Mäßigung der ursprünglich iHv rund € 30.000,- netto eingeklagten Konventionalstrafe auf € 3.000,- netto gerechtfertigt, wenn dem ehemaligen Arbeitgeber tatsächlich kein Schaden entstanden ist (dh ein solcher Wechsel von Kunden tatsächlich nicht erfolgt ist), der Arbeitnehmer sich außerdem zunächst – wenn auch erfolglos – für eine nicht konkurrenzierende Tätigkeit beworben hat und nur in einem Teilbereich der Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber konkurrenzierend tätig wird (OGH 28. 10. 2015, 9 ObA 105/15d, entnommen aus ARD 6491/8/2016).

7. Zulässige Handlungen für neuen Arbeitgeber trotz Konkurrenzklausel
War einem Arbeitnehmer durch eine Konkurrenzklausel jegliche Kontaktaufnahme und Betreuung von Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers in einem bestimmt definierten Gebiet für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses untersagt, schließt dies eine Beschäftigung beim neuen Arbeitgeber unter Meidung des Verbotsgebiets nicht aus. Ebenso liegt kein Verstoß gegen die Konkurrenzklausel vor, wenn der Arbeitnehmer Kunden aus dem Verbotsgebiet bei Kontaktaufnahme an andere Mitarbeiter weiterleitet; mit diesem Verhalten entspricht er vielmehr der Konkurrenzklausel.
Dass der Arbeitnehmer als Mitarbeiter seines neuen Arbeitgebers auf dessen Homepage ohne Bezugnahme auf seine konkrete Tätigkeit aufscheint, ist eine wettbewerbsneutrale Maßnahme seines neuen Arbeitgebers. (OLG Wien 29. 12. 2015, 9 Ra 137/15f, entnommen aus ARD 6491/6/2016)

8. Ausbildungskostenrückersatz: Rückforderung auch von „Sowieso-Kosten“?
Besteht die Verpflichtung zur Rückerstattung der für eine Ausbildung zur Diplomkrankenschwester aufgewendeten Kosten dem Grunde nach zu Recht, so sind auch die für die Ausbildung entstandenen Personal- und Sachkosten (zB Personalkosten für die angestellten Lehrer, Kosten für Energie und Gebäudeerhaltung der Schulen für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege) als tatsächlich aufgewendete Kosten anzusehen und daher anteilig rückzuzahlen, wenn die Kosten, die der Betreiber für seine Schulen für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege zu zahlen hat, ausschließlich für die Ausbildung der Diplomkrankenschwestern aufgewendet werden.
Die Kosten der Raummiete bei einem Seminar in allgemeinen Betriebsräumlichkeiten sind hingegen nicht ersatzfähige Sowieso-Kosten, wenn sie nicht durch die Ausbildung „veranlasst“ wurden, sondern die Räumlichkeiten üblicherweise anderen Zwecken als der Ausbildung dienen (OLG Wien 26. 8. 2015, 9 Ra 49/15i, entnommen aus ARD 6491/5/2016).

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