Arbeitsrecht 5/2019

  1. Aufklärungspflicht bei Übertritt in die Pensionskassa

Der Kläger war jahrelang Prokurist und Filialleiter der beklagten Bank und gehörte als Inhaber eines Sondervertrags der zweiten Führungsebene an. Als Leiter der Filiale in Wien war er bestrebt, dort das Veranlagungs- und Kreditgeschäft aufzubauen. Der Kläger, der privat selbst Wertpapiergeschäfte tätigte, besaß besondere Kenntnisse über den Kapitalmarkt, hatte Erfahrungen und Kenntnisse in Bezug auf Anleihen, Investmentfonds und Optionsscheine und kannte die damit im Zusammenhang stehenden Veranlagungsrisiken. Bereits in den 1990er Jahren nahm der Kläger an zumindest zwei Informationsveranstaltungen teil, in denen ihm das Pensionskassensystem erläutert wurde, weil er von der Beklagten selbst mit der Vermittlung von Pensionskassenverträgen betraut war.

Bevor sich der Kläger zu einer Vereinbarung mit dem beklagten Arbeitgeber über die Auslagerung seiner auf einem Sondervertrag beruhenden Betriebspensionsansprüche an eine Pensionskassa entschloss, führte der Chef der Personalabteilung und Projektleiter des Arbeitgebers für den Umstieg in ein beitragsorientiertes Pensionskassensystem mit dem Kläger ein Vieraugengespräch, in dem er ihm das System der Zielübertragung, die verschiedenen Zinssätze, die Schwankungsrückstellung und die Arbeitgeberreserve erklärte. Das Risiko von Pensionskürzungen im neuen System verneinte er im Hinblick auf das dem Kläger im Mai 1998 ausgestellte Pensionszertifikat, die von ihm verhandelte 15%ige unverfallbare Arbeitgeberreserve sowie die in den Vorjahren erwirtschafteten hohen Renditen. Dem Kläger wurden keine Informationen bewusst vorenthalten oder verschwiegen.

Der Personalchef verfügte damals im Zusammenhang mit der Pensionsauslagerung auf die Pensionskasse über den höchsten Wissensstand und ging selbst davon aus, dass die auf den Berechnungen basierenden Parameter des Veranlagungs- und Pensionskassenmodells realistisch seien und das Risiko bezüglich einer Pensionskürzung nur ein rein theoretisches sei. Aus diesem Grund wechselten auch er sowie sämtliche Sondervertragsinhaber in das neue System.

Der Kläger wusste vor Unterfertigung seines Auslagerungs-Sondervertrags, dass der Auslagerung ein technischer Zinssatz von 5,5 % sowie ein kalkulatorischer Zinssatz von 7,5 % zugrunde gelegt wird, dass künftige Erträgnisse aus dem Kapital vom Veranlagungserfolg der Pensionskasse abhängig sein werden, und dass derartige Veranlagungen ein gewisses Risiko in sich bergen und zur Erreichung einer Verzinsung von 7,5 % riskantere Veranlagungsinstrumente wie Aktien herangezogen werden. Er sah darin jedoch kein Risiko für sich. In einem von der Beklagten für den Kläger erstellten persönlichen Berechnungsblatt wurde auch besonders darauf hingewiesen, dass es sich bei den darin dargestellten Leistungen um Hochrechnungsergebnisse handelt.

Der Kläger verlangte auch keine weiteren Informationen und nahm auch die Möglichkeit, an einer Veranstaltung über die „Auslagerung der BTV-Pension in die Pensionskasse“ teilzunehmen, nicht mehr wahr.

Weder der Personalchef noch sonst jemand von der Beklagten garantierte dem Kläger, dass seine Pension nach der Auslagerung in gleicher Höhe sichergestellt sei.

Ausgehend davon verneinte der Oberste Gerichtshof eine Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Beklagte und der Schadenersatzamspruch des Klägers wurde abgewiesen.

Eine allgemeine Aufklärungspflicht über alle Umstände, die den Vertragspartner vom Vertragsabschluss abhalten könnten, besteht – so der Oberste Gerichtshof – nicht. Die Beklagte verletzte im konkreten Fall ihre Aufklärungspflicht nicht, obwohl dem Kläger keine (näheren) Informationen über die Wirkungsweise der Sterbetafeln im Pensionskassenrecht, des dort geltenden Stichtagsprinzips sowie des pensionskassenrechtlichen Begriffs der sogenannten „negativen Schwankungsrückstellung“ gegeben wurden. Entscheidend ist, dass dem Kläger ein Gesamtbild der wesentlichen Informationen über die Auslagerung seiner Betriebspensionsansprüche vermittelt wurde, das es ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Fachkenntnisse erlaubte, die Chancen und Risiken einer Übertragung seiner Betriebspension auf eine Pensionskasse einzuschätzen. Dem Kläger musste aufgrund dieses Gesamtbildes klar sein, dass es sich bei den Prognosen über die Höhe der Pension um bloße Hochrechnungen handelt und die erwarteten Leistungen daher auch unter die Höhe der ursprünglich direkten Pensionszusage fallen konnten. Er durfte nicht davon ausgehen, dass die ursprüngliche Pensionshöhe nach den bisherigen Regelungen jedenfalls erhalten bleiben wird (OGH 27.2.2019, 9 ObA 8/19w).

  1. Urlaubsersatzleistung auf Kündigungsentschädigung anrechenbar?

Der Kläger war von 18. 4. 2006 bis 1. 2. 2017 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Am 16. 1. 2017 vereinbarten die Parteien die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit 17. 3. 2017 und den Verbrauch des Resturlaubs bis zum letzten Arbeitstag. Zuvor wurde der Kläger aber am 1. 2. 2017 unbegründet entlassen.

Der Kläger begehrte nun unter anderem Urlaubsersatzleistung für nicht konsumierten Urlaub.

Der Oberste Gerichtshof kam zu folgendem Ergebnis: Ein Angestellter, der unberechtigt entlassen wurde, bekommt als Kündigungsentschädigung das, was er ohne die unberechtigte Entlassung erhalten hätte. Er ist damit wirtschaftlich so zu stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß – hier also durch die vereinbarte einvernehmliche Beendigung – beendet worden.

Hätte das Arbeitsverhältnis, wie zunächst vereinbart, erst am 17. 3. 2017 geendet, hätte der Kläger seinen Resturlaub von 32 Urlaubstagen verbrauchen können und von 2. 2. 2017 bis 17. 3. 2017 Urlaubsentgelt erhalten. Infolge der unberechtigten Entlassung konnte der Kläger, weil das Arbeitsverhältnis von der Beklagten vor Verbrauch des Resturlaubs beendet wurde, seinen offenen Urlaub von 32 Urlaubstagen nicht mehr verbrauchen.

Bei der hier vorzunehmenden Differenzrechnung zwischen dem Entgelt, das der Kläger erhalten hätte, wenn das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch die vereinbarte einvernehmliche Auflösung geendet hätte, und jenem, das der Kläger nach der unberechtigten Entlassung tatsächlich bekommen hat, darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Kläger im ersten Fall das Urlaubsentgelt von 2. 2. 2017 bis 17. 3. 2017 zugestanden wäre. Die von der Beklagten bezahlte Urlaubsersatzleistung kann darauf nicht angerechnet werden, weil diese ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Erfüllung des in der Vergangenheit liegenden, noch offenen, bisher nicht erfüllten Urlaubsanspruchs ist und auf einem anderen Rechtsgrund beruht als die Kündigungsentschädigung. Für die hier vorzunehmende Differenzrechnung hat daher anstelle des vereinbarten, aber infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchten Naturalurlaubs die Urlaubsersatzleistung als (Geld‑)Surrogat zu treten. Die Urlaubsersatzleistung ist aber nicht auch Ersatz für das Entgelt, das der Kläger ohne ungerechtfertigte Entlassung bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses zum 17. 3. 2017 erhalten hätte (OGH 17.12.2018, 9 ObA 125/18z).

  1. Kettendienstvertrag

Die Klägerin schloss beginnend mit 20. 2. 2017 einen bis 20. 4. 2017 befristeten Dienstvertrag als Angestellte. Zum Hauptaufgabengebiet der Klägerin gehörte der Verkauf von Anzeigen für Spezial-Interest-Magazine. Um ein Magazin fertigstellen zu können, trat die Arbeitgeberin vor dem Ende der Befristung an die Klägerin heran, ob sie ihr nach dem 20. 4. 2017 noch vier Tage, also bis 27. 4. 2017 weiter helfe, denn dann ginge das Magazin am 28. 4. 2017 in Druck. Die Klägerin war damit einverstanden.

Die Klägerin klagte in der Folge Entgelt wegen termin- und fristwidriger Dienstgeberkündigung per 27. 4. 2017 aufgrund eines unzulässigen Kettendienstvertrages.

Der Oberste Gerichtshof wies die Klage aus folgenden Gründen ab: Kettenarbeitsverträge sind nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist. Mangels sachlichen Grundes für die Befristung ist von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen.

Die einmalige Verlängerung der Befristung war durch die notwendigen Fertigstellungsarbeiten am Magazin und die wirtschaftlich äußerst angespannte Situation der in Liquidation befindlichen Beklagten sachlich gerechtfertigt und daher zulässig. Es handelte sich sohin um einen neuen, zwecks Beendigung der Arbeiten am Magazin auf vier Tage befristeten Vertrag (OGH 25.1.2019, 8 ObA 75/18i).

 

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