Arbeitsrecht 5/2022

1. Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt

Nach dem Erkenntnis des EuGH 25.11.2021, C-223/20, steht fest, dass der in § 10 Abs 2 UrlG normierte Entfall des Anspruchs auf Urlaubsersatzleistung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch unberechtigten Austritt des Arbeitnehmers unionsrechtwidrig ist. Das hat jedoch nur Auswirkungen auf den unionsrechtlich garantierten Mindesturlaub von vier Wochen, sodass im Fall eines unberechtigten vorzeitigen Austritts eine Urlaubsersatzleistung für den zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht verbrauchten Jahresurlaub nur auf Grundlage des unionsrechtlich garantierten Mindesturlaubs von vier Wochen zusteht. Eine finanzielle Abgeltung des über den vierwöchigen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsteils ist daher unionsrechtlich nicht geboten (OGH 17.2.2022, 9ObA 150/21f).

2. Unentschuldigtes Fernbleiben als Austritt

Ein Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 18. 8. 2019 (Ende der Lohnwoche und beantragte für den 16.8. Urlaub, der ihm aber nicht gewährt wurde. Am 16.8.2019 kam er zu spät und erklärte auf die Frage für sein Zuspätkommen, dass er nicht mehr für den Arbeitgeber fahren werde („Schreibst mi halt blau„). Fraglich war, ob dieses Verhalten mit dieser Erklärung als vorzeitiger Austritts aus dem ohnedies bereits gekündigten Dienstverhältnis zu bewerten war, Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, dass zur Annahme einer schlüssigen Austrittserklärung  das Verhalten des Dienstnehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls keinen vernünftigen Grund übrig lassen dürfe, an seiner auf vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen gerichteten Absicht zu zweifeln. Dabei ist wegen der besonderen Rechtsfolgen, die damit verbunden sind, ein strenger Maßstab an das konkludente Verhalten des Dienstnehmers anzulegen. Eine schlüssige Austrittserklärung liegt daher nicht vor, wenn das Verhalten des Dienstnehmers verschiedene Deutungen zulässt, zum Beispiel auch ein unentschuldigtes Fernbleiben. Im konkreten Fall war das Verhalten des Dienstnehmers  nicht eindeutig genug und daher kein Austritt anzunehmen (OGH 2.9.2021, 9 ObA 87/21s).

3. Bestätigungsschreiben zu mündlicher Kündigung

Eine Arbeitnehmerin wurde vor Antritt ihrer Bildungskarenz im Jahr 2019 mit einem auf den 2. 9. 2020 vordatierten Schreiben zum 1. 11. 2020 gekündigt. Weil sie die im Zusammenhang mit der Dienstvertragsauflösung stehenden Unterlagen von den vertretungsbefugten Organen unterschrieben haben wollte, wandte sie sich im Oktober 2020 an die Personalabteilung. Von dieser erhielt sie ein Schreiben zurück, das mit „Einvernehmliche Lösung“ betitelt war. Strittig war im Verfahren nun, ob von einer Änderung des Auflösungsgrundes auszugehen ist. Dies wurde letztlich vom OGH verneint: Die Klägerin hätte zumindest den Verdacht haben müssen, dass ihr mit dem im Oktober 2020 übermittelten und als „Einvernehmliche Lösung“ betitelten Bestätigungsschreiben kein vom Willen der Arbeitgeberin getragenes Anbot auf Abänderung des Auflösungsgrundes von einer Dienstnehmerkündigung in eine einvernehmliche Auflösung unterbreitet wurde. Die Klägerin selbst hatte sich im Oktober 2020 an das Personalbüro gewandet, weil sie statt der im Sommer 2019 auf 2. 9. 2020 vordatierten und von der damaligen Personalabteilungsleiterin sowie der unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin unterfertigten „Personalpapiere“ – darunter ein Schreiben, mit dem ausdrücklich ihre „mündlich ausgesprochene Kündigung“ zum 1. 11. 2020 bestätigt wurde – „aktualisierte Unterlagen“ wünschte, die von den vertretungsbefugten Organen unterschrieben waren. Nachdem sie ein Dienstzeugnis erhalten hatte, das zu dem bereits 2019 übergebenen textident, aber vom neuen Leiter der Personalabteilung bzw ihrer unmittelbaren Vorgesetzten unterzeichnet war, fragte sie ausdrücklich „bezüglich der Kündigung“ rück. Daraufhin wurde ihr das Schreiben übermittelt, aus dem sie nunmehr eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses ableiten möchte (die ihr einen Anspruch auf Zahlung einer Abfertigung ermöglicht hätte).

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass dann, wenn die Parteien eine mündliche „Vereinbarung“ bloß schriftlich festlegen und hierbei durch einen Fehler vom wirklich Vereinbarten abgewichen wurde, nicht das Beurkundete gilt, sondern das tatsächlich Vereinbarte. Wenn die Parteien nichts anderes wollen und erklären als die Absicht, das schriftlich niederzulegen, was sie vereinbart haben, lässt sich eine Änderung der Rechtslage unter keinen Umständen auf den Parteiwillen stützen. Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall: Das Bestätigungsschreiben bezüglich der Kündigung sollte lediglich mit den Unterschriften der zum Ende der Bildungskarenz der Klägerin tatsächlichen Vertreter der Gesellschaft versehen werden (OGH 25.1.2022, 8ObA 93/21s).

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