1. Duschen nach Dienstende
Die Klägerin arbeitete als diplomierte Gesundheits‑ und Krankenpflegerin in Krankenanstalten des Beklagten. Sie musste Anstaltskleidung tragen, die sie nicht nach Hause mitnehmen durfte. Nach ihrem Dienst duschte sie sich für gewöhnlich wie auch einige, aber nicht alle Kollegen in der Krankenanstalt, bevor sie die Privatkleidung anlegte und den Arbeitsort verließ. Dieses Duschen war weder angeordnet noch aus hygienischen Gründen erforderlich. Es erfolgte allein aufgrund der persönlichen Hygienestandards der Klägerin. Die Klägerin benötigte für das Duschen jeweils rund 15 Minuten. Strittig war, ob diese Duschzeiten als Arbeitszeit gelten oder nicht. Der Oberste Gerichtshof verneinte dies: Es war die freie Entscheidung der Klägerin, sich nicht sogleich anzuziehen und nach Hause zu gehen, sondern noch zu duschen. Mangels jeglicher Fremdbestimmung musste das Entgeltverlangen der Klägerin für diese jeweils 15 Minuten scheitern (OGH vom 30.3.2022 8 ObA 14/22z).
2. Sind Ruhepausen mit Bereitschaftspflicht Arbeitszeit?
Ein ehemaliger Betriebsfeuerwehrmann der Prager Verkehrsbetriebe klagte seinen ehemaligen Arbeitgeber auf rund € 3.600,- als Vergütung für die im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit genommenen Ruhepausen. Ihm standen während seines Schichtdienstes zwei 30-minütige Pausen zu, während deren er aber erreichbar und binnen zwei Minuten einsatzbereit sein musste. Während dieser Ruhepausen wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz nicht ersetzt und verfügte über ein Funkgerät, mit dem er alarmiert werden konnte, falls er seine Pause für einen plötzlichen Einsatz unterbrechen musste. Vom Arbeitgeber wurden die Ruhepausen nur dann auf die Arbeitszeit angerechnet, wenn sie von einem Einsatz unterbrochen wurden. Folglich wurden nicht unterbrochene Ruhepausen nicht vergütet.
Muss ein Arbeitnehmer (hier: Betriebsfeuerwehrmann) auch während seiner 30-minütigen Ruhepausen stets binnen zwei Minuten einsatzbereit sein, sind die Ruhepausen unabhängig davon, ob es zu einem Einsatz kommt, als Arbeitszeit einzustufen, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepause auferlegten Einschränkungen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen. Dies entscheid der Europäische Gerichtshof in einer aktuellen Entscheidung aus Tschechien.
Zuletzt erinnert der EuGH daran, dass sich die Frage, wie Bereitschaftsdienst, wenn er als Arbeitszeit anzusehen ist, zu vergüten ist, allein nach nationalem Recht richtet. Die Richtlinie ist lediglich dafür maßgeblich, ob die fraglichen Zeiten überhaupt als Arbeitszeit anzusehen sind, oder ob es sich um Ruhezeit handelt. Die Richtlinie steht daher der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, eines Tarifvertrags oder einer Entscheidung des Arbeitgebers nicht entgegen, wonach bei der Vergütung eines Bereitschaftsdiensts Zeiten, in denen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht werden, und Zeiten, in denen keine tatsächliche Arbeit geleistet wird, in unterschiedlicher Weise berücksichtigt werden, selbst wenn diese Zeiten insgesamt als „Arbeitszeit“ für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie anzusehen sind (EuGH 9.9.2021, C-107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy).
3. Geltung der neuen Kündigungsfristen für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe
Mit 1. 10. 2021 wurden die für Arbeiter geltenden Kündigungsfristen an jene der Angestellten angeglichen . Das Gesetz ermöglicht aber, dass durch Kollektivvertrag „für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt“ werden können. Zur strittigen Frage, ob die bisherigen Kündigungsbestimmungen des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (14-tägige Kündigungsfrist) auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes, dh über den 30. 9. 2021 hinaus weitergelten, hat nun der OGH über einen Feststellungsantrag der Wirtschaftskammer Österreich festgestellt, dass aus dem von den Antragstellern vorgelegten Datenmaterial für die Branche Hotellerie und Gastgewerbe in einer Gesamtbetrachtung insgesamt kein Überwiegen von Saisonbetrieben ersichtlich ist und somit bis zum Beweis des Gegenteils die neuen, längeren Kündigungsfristen gelten (OGH 24.3.2022, 9 ObA 116/21f).
4. Eventualkündigung: Verletzung der Aufgriffsobliegenheit
Im vorliegenden Fall wurde während des Kündigungsanfechtungsverfahrens gegenüber dem Kläger die Eventualkündigung ausgesprochen. 10 Monate danach machte der Kläger deren Unwirksamkeit klageweise geltend. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass dies zu spät war:
Ein Fortsetzungsanspruch am Bestand eines Arbeitsverhältnisses kann zeitlich nicht unbegrenzt geltend gemacht werden. Das Klarstellungsinteresse des Arbeitgebers am Bestand oder Nichtbestand des Arbeitsverhältnisses bedingt eine Aufgriffsobliegenheit des Arbeitnehmers, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Aufschub gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen.
Mangels einer gesetzlichen Frist ist zu beurteilen, ob das Verhalten des Arbeitnehmers als stillschweigendes Einverständnis mit der Beendigung bzw als Verzicht auf die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Beendigung aufzufassen ist. Das Ausmaß der Frist kann unter Abwägung des Klarstellungsinteresses des Arbeitgebers und der Schwierigkeiten für den Arbeitnehmer, seinen Anspruch geltend zu machen, vielmehr nur nach den Umständen des Einzelfalls bemessen werden. Fixe Fristen gibt es nicht. Eine während eines Kündigungsanfechtungsverfahrens ausgesprochene Eventualkündigung ist grundsätzlich zulässig. Es handelt sich dabei um eine Kündigung unter einer Rechtsbedingung, die zu keiner unzumutbaren Ungewissheit für den Arbeitnehmer führt. Vielmehr verdeutlichte die vom Arbeitgeber ausgesprochene zweite Kündigung seinen Standpunkt, das Arbeitsverhältnis endgültig beenden zu wollen, also auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Verfahren über die Wirksamkeit der vorangehenden Kündigung obsiegen sollte.
Dass eine Eventualkündigung nur Rechtswirksamkeit entfaltet, wenn eine vorhergehende Beendigungserklärung als unwirksam angesehen wird, ergibt sich daraus, dass ein bereits beendetes Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden kann. Eine Eventualkündigung beendet dementsprechend das Dienstverhältnis für den Fall, dass es nicht ohnehin durch eine frühere Erklärung zu einem früheren Zeitpunkt beendet wurde, zum in ihr genannten Endtermin. Auch bei einer Eventualkündigung besteht daher ein unmittelbares Klarstellungsinteresse des Arbeitgebers daran, ob der Arbeitnehmer eine Unwirksamkeit auch dieser Erklärung und damit die Fortdauer des Dienstverhältnisses über den in der Eventualkündigung genannten Zeitpunkt hinaus geltend macht. Allein der Umstand, dass bei Ausspruch der Eventualkündigung ein Verfahren über den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses anhängig ist, und damit ihre Wirksamkeit vom Ausgang des Verfahrens abhängig ist, begründet demnach kein Interesse des Arbeitnehmers, mit der Geltendmachung seines Anspruchs zuzuwarten. Soweit der Kläger damit argumentiert, dass sein Obsiegen im Vorverfahren Bedingung für die Kündigung war, entspricht das dem Wesen der Eventualkündigung.
Der Kläger hat im Vorverfahren selbst auf diese Kündigung hingewiesen, ohne näher zu deren (Un-)Wirksamkeit Stellung zu nehmen. Dennoch hat er die Unwirksamkeit der Eventualkündigung erstmals 10 Monate nach ihrem Ausspruch und 7 Monate nach dem darin genannten Endtermin des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Auch in der Revision nennt er keine Gründe, die ihn gehindert haben, früher tätig zu werden. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger seine Aufgriffsobliegenheit verletzt (OGH 24.3.2022, 9 Ob A 28/22s).