Arbeitsrecht 8/2020

1.       Bodenleger als Selbstständiger oder Dienstnehmer?

Ein Bodenleger war für eine Gesellschaft tätig. Er hatte keine Deutschkenntnisse. Über Aufforderung des Hauptgesellschafters der Beklagten hatte er sich an einer offenen Gesellschaft als unbeschränkt hafender Gesellschafter beteiligt (wie auch noch ein weiterer Arbeiter), hatte dabei aber keine Einsicht in die Firmenakte, Dokumente oder Abrechnungen der Beklagten. Über die wirtschaftliche Situation der Beklagten wusste nur der Hauptgesellschafter Bescheid. Der Kläger verrichtete seine Tätigkeit als Bodenleger zu der üblichen Arbeitszeit und an verschiedenen Baustellen, die ihm der Hauptgesellschafter, der die Aufträge auch organisierte, vorgab.

Fraglich war, ob es sich um einen Dienstvertrag oder um einen Werkvertrag handelte, auf dessen Grundlage der Bodenleger arbeitete. Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass es sich im konkreten Fall um bloß „Scheinselbstständigkeit“ des Klägers handelte. Maßgeblich für die Beurteilung eines Vertrags als Arbeitsvertrag ist nämlich die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehung. Entscheidend ist demnach, wie dieser Vertrag tatsächlich gelebt wurde. Es kommt dabei weder auf die Bezeichnung durch die Parteien noch darauf an, ob sie sich der rechtlichen Tragweite ihres Verhaltens bewusst waren. Auch die steuerliche Behandlung des Vertragsverhältnisses – hier die Anmeldung des Klägers bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft – ist ebensowenig entscheidend wie die Beurteilung des Sozialversicherungsträgers oder der Steuerbehörde. Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung kann auch ein nach außen als Gesellschaft deklariertes Rechtsverhältnis nach der tatsächlich von den Parteien gehandhabten Praxis als Arbeitsvertrag qualifiziert werden). In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass selbst ein Gesellschafter‑Geschäftsführer dann, wenn ihm kein beherrschender Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zukommt, als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Der Kläger war daher echter Dienstnehmer der Gesellschaft (OGH 29.04.2020, 9 ObA 21/20h).

2.       Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

In einem aktuellen Fall musste sich der Oberste Gerichtshof mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auseinandersetzen:

Eine Mitarbeiterin war in einem befristeten Dienstverhältnis für ihren Dienstgeber tätig. Sie behauptete, dass es eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellte, da die Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis aus diskriminierenden Gründen nicht erfolgt sei. Die Klägerin begehrte Schadenersatz aufgrund dieser behaupteten Diskriminierung.

Diese Ansprüche wurden vom Obersten Gerichtshof abgewiesen, weil nach den ermittelten Sachverhalt das Dienstverhältnis der Klägerin als Restaurantfachfrau ohne Inkasso deshalb befristet abgeschlossen wurde, um urlaubsbedingte Abwesenheit im Hotelbetrieb der Beklagten in den Sommermonaten Juni bis Ende August abzudecken. Eine Umwandlung des befristet abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes wurde der Klägerin auch nicht in Aussicht gestellt. Die nach Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses der Klägerin frei gewordene Stelle wurde von der Beklagten auch nicht nachbesetzt.

Von einer diskriminierenden Beendigung des befristeten Dienstverhältnisses konnte daher nicht ausgegangen werden (OGH 26.02.2020, 9 ObA 147/19m).

3.       Gültigkeit einer Konkurrenzklausel

Die Klägerin beschäftigt sich mit Türsystemen, Übergängen und der Innenausstattung von Schienenfahrzeugen. Diese Geschäftsfelder wurden auch bereits im Jahr 2012 bedient. Der Beklagte war vom 1. 5. 2003 bis 28. 2. 2018 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst als Leiter der Technik und ab 2012 als Leiter im Elektronik-Bereich. Hierbei war er für Türsysteme komplett und für das Sicherheitsmanagement in sämtlichen von der Klägerin angebotenen Produktbereichen verantwortlich. Als Leiter im Elektronik-Bereich war er Mitglied der zweiten Führungsebene und im engsten Kreis der Geschäftsführung. Mit ihm wurden Geschäftsgeheimnisse besprochen. In seinem Kompetenzbereich lagen auch Patentrecherchen und die Kommunikation mit Patentanwälten. Im Jahr 2013 finanzierte ihm die Klägerin eine Schulung zum RAMS/LCC-Ingenieur, die den Inhaber zur Durchführung von Sicherheitsanalysen und Lebenszykluskostenanalysen berechtigt und am Markt als „highly recommended“ gilt. Grundlage für die Tätigkeit des Beklagten war zuletzt der Dienstvertrag vom 29. 3. 2012, der in seinem Punkt 14. folgende Konkurrenzklausel enthält:

 „ Der/Die Arbeitnehmer/in ist verpflichtet, bis zum Ablauf von sechs Monaten ab der Beendigung des Arbeitsvertrags innerhalb Österreichs im Geschäftszweig des Arbeitgebers (d.h. Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge) weder selbständig noch unselbständig für den Mitbewerber tätig zu werden.

 Für den Fall des Zuwiderhandelns wird eine Konventionalstrafe in Höhe von drei Monatsentgelten (netto) vereinbart, wobei der/die Arbeitnehmer/in ausdrücklich die Angemessenheit der vereinbarten Konventionalstrafe anerkennt. “ 

Mit Schreiben vom 31. 1. 2018 kündigte der Beklagte sein Dienstverhältnis zur Klägerin. Auf seinen Wunsch wurde diese Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt, wobei dies unter ausdrücklichem Hinweis auf die Konkurrenzklausel im Dienstvertrag geschah. Es hätte Möglichkeiten der Beschäftigung des Beklagten gegeben, bei denen er seine Kenntnisse und Berufserfahrung hätte nützen können, ohne zu einem Konkurrenzunternehmen der Klägerin zu wechseln, dennoch ging er bereits im Mai 2018 ein Dienstverhältnis zu einem direkten Konkurrenzunternehmen seines ehemaligen Arbeitgebers ein und bietet ebenfalls Innenausstattungen und Türlösungen für Schienenfahrzeuge an. Ursprünglich handelte es sich um einen reinen Zulieferer für Komponenten, der als solcher immer noch von der Klägerin Aufträge erhält. Seit dem Jahr 2012 kam es jedoch zu einem Abgang von mittlerweile sieben Mitarbeitern der Klägerin zu diesem Konkurrenten, die nunmehr dort allesamt Schlüsselpositionen besetzen. Der Beklagte ist bei dem neuen Dienstgeber in der Produktentwicklung tätig. Durch seine neue Tätigkeit können der Klägerin Marktanteile verloren gehen.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung einer Konventionalstrafe wegen Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel.  Strittig war, ob der neue Dienstgeber des Beklagten tatsächlich im Geschäftszweig der Klägerin tätig war oder nicht.

Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Sache noch nicht entscheidungsreif war und verwies sie an die erste Instanz zurück. Der Oberste Gerichtshof führt dabei aus, dass bei Konkurrenzklauseln nicht am Wortlaut der Konkurrenzklausel zu haften ist, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs und dem Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers entspricht. Im Hinblick auf die Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seiner Arbeitskraft sind Konkurrenzklauseln im Zweifel einschränkend, das heißt im Sinne einer geringeren Beschränkung der Verfügungsfreiheit des zur Unterlassung Verpflichteten auszulegen.

Im konkreten Fall beschränkte sich die Konkurrenzklausel auf „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“. Andere Bereiche, in denen die Klägerin ebenfalls tätig war, konkret Innenausstattungen für Schienenfahrzeuge werden allerdings in der Konkurrenzklausel nicht genannt. Die Interpretation der Klägerin, die die Konkurrenzklausel über ihren Wortlaut hinaus über sämtliche ihrer Geschäftsfelder also auch auf Innenausstattungen, erweitern will, weil diese erst später zu den Bereichen „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“ hinzugekommen seien, ist schon aus diesem Grund der Boden entzogen. Damit ist von einer (ausdrücklichen) Einschränkung der dem Konkurrenzverbot unterliegenden Geschäftszweige auf „Türsysteme und Übergänge für Schienenfahrzeuge“ auszugehen.

Im weiteren Verfahren wird daher noch zu erheben sein, ob der Beklagte in der Konkurrenzklausel konkret umschriebenen Geschäftszweig auch tatsächlich tätig war (OGH 27.02.2020, 8 ObA 62/19d).

4.       Entgeltfortzahlungsanspruch bei vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers

Ein Mitarbeiter wurde von seinem Arbeitgeber wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit entlassen und klagte auf Entgeltfortzahlung über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.

Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass dieser Anspruch aus folgenden Gründen nicht zusteht:

Wird der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet.

Aufgrund des klaren Wortlauts dieser Bestimmung hatte der Oberste Gerichtshof schon in einer Vorentscheidung die Rechtsauffassung vertreten, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus nur dann erhalten bleibt, wenn einer der im Gesetz genannten Beendigungsgründe vorliegt.

Bei dieser Interpretation blieb der Oberste Gerichtshof auch in diesem Fall. Es handelt sich im konkreten Fall auch um keine Gesetzeslücke und auch um keine unsachliche Ungleichbehandlung von Angestellten und Arbeitern. Eine vom eindeutigen Wortlaut abweichende Gesetzesauslegung (Ausweitung der Beendigungsgründe) kann auch nicht mit allfälligen Überlegungen zur Verfassungskonformität gerechtfertigt werden (OGH 22.01.2020, 9 ObA 131/19h).

 

 

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